Die Romanow-Prophezeiung
Sicherheit von einem Naturliebhaber bewohnt – an den Wänden hingen gerahmte Bilder von auffliegenden Vögeln und äsenden Rehen. Allerdings waren keine Jagdtrophäen zu sehen.
»Ich jage nicht«, bemerkte Thorn. »Außer mit dem Fotoapparat.«
Lord zeigte auf das gerahmte Ölgemälde eines Bären, das an einer der Wände besonders hervorstach.
»Das hat meine Großmutter gemalt«, antwortete Thorn. »Und ebenso die anderen Bilder. Sie malte sehr gerne. Sie hat bis zu ihrem Lebensende hier gewohnt. Alexej ist in der Schlafkammer dort drüben gestorben. Im selben Bett ist mein Vater zur Welt gekommen.«
Sie saßen gemeinsam vor dem Kaminfeuer, und zwei Lampen beleuchteten das Zimmer. Akilina saß auf dem Bretterboden, in eine Wolldecke gehüllt. Lord und Thorn hatten sich jeder in einem Ledersessel niedergelassen. Der Hund hatte sich in eine kühlere Ecke zurückgezogen und sich dort zusammengerollt.
»Ich habe einen engen Freund im Büro des Justizministers von North Carolina«, erklärte Thorn. »Den rufen wir morgen an. Er kann uns helfen. Ich vertraue ihm.« Thorn saß einen Moment lang schweigend da. »Meine Frau ist gewiss mit den Nerven am Ende. Ich wünschte, ich könnte sie anrufen.«
»Das scheint mir nicht ratsam«, erwiderte Lord.
»Es geht ohnehin nicht. Ich habe hier nie eine Telefonleitung herlegen lassen. Wenn ich hier übernachte, nehme ich mein Handy mit. Strom haben wir auch erst seit ein paar Jahren. Die Elektrizitätsgesellschaft hat mich ganz schön zur Kasse gebeten. Da habe ich beschlossen, dass das mit dem Telefon Zeit hat.«
»Kommst du und deine Frau oft hierher?«, fragte Akilina.
»Sehr oft. Ich fühle mich hier wirklich mit meiner Vergangenheit verbunden. Margaret hat es nie ganz verstanden; sie hat nur gemerkt, dass dieser Ort hier mich beruhigt. Mein einsames Fleckchen, so hat sie ihn genannt. Wenn sie nur Bescheid wüsste.«
»Das wird sie bald«, gab Lord zurück.
Plötzlich spitzte der Barsoi die Ohren, und ein leises Knurren entstieg seiner Kehle.
Lord heftete die Augen auf den Hund.
An der Vordertür ertönte ein Klopfen. Lord sprang auf. Keiner sagte etwas.
Ein weiteres Klopfen.
»Miles. Ich bin’s, Taylor. Machen Sie die Tür auf.«
Er eilte durch den Raum und spähte durch eines der Fenster nach draußen. In der Dunkelheit konnte er nur eine männliche Gestalt ausmachen, die vor der Tür stand. Er ging zum verschlossenen Eingang.
»Taylor?«
»Und nicht die Zahnfee. Machen Sie die verdammte Tür auf.«
»Sind Sie allein?«
»Wen sollte ich denn bei mir haben?«
Lord entriegelte von innen. Draußen stand Taylor Hayes, mit einer Khakihose und einer dicken Jacke bekleidet.
»O Mann, ich freue mich, Sie zu sehen«, sagte Lord.
»Nicht so sehr wie ich.« Hayes trat in die Hütte. Sie gaben sich die Hand.
»Wie haben Sie mich gefunden?«, fragte Lord, nachdem er die Tür geschlossen und wieder verriegelt hatte.
»Ich habe in der Stadt von der Schießerei erfahren. Anscheinend sind hier zwei Russen …«
»Zwei der Männer, die mich schon früher verfolgt haben.«
»Das hatte ich mir schon gedacht.«
Lord bemerkte den fragenden Ausdruck in Akilinas Miene. »Ihr Englisch ist nicht besonders gut, Taylor. Sprechen Sie bitte Russisch.«
Hayes sah Akilina an. »Und wer sind Sie?«, fragte er auf Russisch.
Akilina stellte sich vor.
»Freut mich, Sie kennen zu lernen. Dann hat mein Firmenpartner Sie also durch die halbe Weltgeschichte geschleppt, wenn ich recht verstehe.«
»Wir haben eine ziemliche Reise hinter uns«, antwortete sie.
Hayes sah Thorn an. »Und Sie müssen der Zweck dieser Reise sein.«
»So hat es den Anschein.«
Lord stellte die beiden einander vor und sagte dann: »Vielleicht kommen wir ja jetzt endlich weiter. Taylor, die Bezirkspolizei glaubt, ich hätte den Deputy erschossen.«
»Davon ist man recht überzeugt.«
»Haben Sie mit dem Sheriff gesprochen?«
»Ich wollte erst einmal mit Ihnen reden.«
In den nächsten fünfundvierzig Minuten unterhielten sie sich. Lord berichtete alles, was vorgefallen war. Er zeigte Hayes sogar das zerbrochene Ei und die Botschaften auf Metallplättchen, die er aus dem Jeep mitgenommen hatte. Er erzählte von den Goldbarren, die nun in Schließfächern warteten, und berichtete über Semjon Paschkow und die Heilige Schar, die Felix Jussupows Geheimnis bewahrt hatte.
»Dann sind Sie also ein Romanow?«, fragte Hayes Thorn.
»Sie haben noch nicht erklärt, wie Sie uns gefunden haben«, stellte Thorn
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