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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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gestürzten Zaren und seiner Familie offen ihre Treue und ihren Respekt bekundet. Tag für Tag hatten sie sich in großer Zahl vor dem Haus versammelt, in dem die Zarenfamilie untergebracht war, um vor ihnen den Hut zu ziehen und sich zu bekreuzigen. Kaum ein Tag verging, ohne dass sie Kuchen, Kerzen und Ikonen brachten. Selbst ihre Wächter, Angehörige des ehrwürdigen Schützenregiments, hatten sich freundlich gezeigt, sich mit ihnen unterhalten und mit ihnen Karten gespielt. Sie hatten Bücher und Zeitschriften bekommen und durften Briefkontakte pflegen. Das Essen war hervorragend gewesen, und sie hatten jegliche Annehmlichkeiten genossen.
    Alles in allem kein schlechtes Gefängnis.
    Dann, vor achtundsiebzig Tagen, ein weiterer Umzug.
    Diesmal hierher, nach Jekaterinburg am Osthang des Ural, tief im von den Bolschewiken dominierten Herzen von Mütterchen Russland. Zehntausende von Rotarmisten bevölkerten die Straßen, und auch die Einheimischen waren zutiefst antizaristisch eingestellt. Das Haus eines wohlhabenden Kaufmanns namens Ipatiew war beschlagnahmt und in ein provisorisches Gefängnis umgewandelt worden. Nikolaus hatte gehört, wie es als »Haus für Sonderzwecke« bezeichnet worden war. Seine Bewacher hatten einen hohen Holzzaun errichtet, das Fensterglas mit Kalk bestrichen und die Fensteröffnungen mit Eisengittern versehen. Auf das Öffnen der Fenster stand Tod durch Erschießen. Von Zimmern, Waschräumen und Toiletten waren sämtliche Türen entfernt worden. Nikolaus hatte mit anhören müssen, wie seine Familie beschimpft wurde, und musste die unzüchtigen Wandschmierereien, die seine Frau mit Rasputin darstellten, kommentarlos erdulden. Am Vortag hätte er sich beinahe mit einem der unverschämten Drecksäcke geprügelt. Der Wächter hatte auf die Wand im Schlafzimmer seiner Töchter einen besonders ekelhaften Spruch gekritzelt: Der große Zar im Bett betrogen, am Pimmelchen vom Thron gezogen.
    Genug, dachte er.
    »Wie spät ist es?«, fragte er den über ihm stehenden Wachposten.
    »Zwei Uhr morgens.«
    »Was ist denn los?«
    »Wir müssen umziehen. Die Weiße Armee nähert sich der Stadt. Ein Angriff steht bevor. Es wäre in den oberen Zimmern zu gefährlich, falls es zu Schießereien in den Straßen kommt.«
    Die Nachricht versetzte Nikolaus in große Erregung. Immer wieder hatte er etwas vom Geflüster der Wächter aufgeschnappt: Die Weiße Armee nahm auf dem Vormarsch durch Sibirien eine Stadt nach der anderen ein und eroberte immer mehr Gebiete von den Roten zurück. Seit Tagen schon war in der Ferne das Donnern von Artilleriefeuer zu hören. Das Geräusch hatte ihm wieder Hoffnung verliehen. Vielleicht kamen seine Generäle nun endlich zu seiner Rettung, und alles käme wieder ins Lot.
    »Aufstehen und anziehen«, befahl der Wachposten.
    Der Mann zog sich zurück, und Nikolaus weckte seine Frau. Sein Sohn Alexej schlief in einem Bett am hinteren Ende des einfachen Schlafzimmers.
    Er und Alexej zogen wortlos ihre Uniformen an, während Alexandra sich ins Zimmer ihrer Töchter zurückzog. Unglücklicherweise konnte Alexej nicht laufen. Vor zwei Tagen hatte er eine weitere Blutung erlitten, sodass Nikolaus den Dreizehnjährigen nun behutsam in den Flur tragen musste.
    Dann erschienen auch seine vier Töchter.
    Sie trugen jede einen schlichten schwarzen Rock und eine weiße Bluse, und hinter ihnen humpelte ihre Mutter am Stock herein. Seine Herzallerliebste konnte kaum noch laufen; der Hüftschmerz, an dem sie schon seit ihrer Kindheit litt, hatte sich immer weiter verschlimmert. Die ständige Angst um Alexej hatte ihr die Gesundheit geraubt; ihr einstmals kastanienbraunes Haar war ergraut, und das liebevolle Leuchten ihrer Augen, das ihn schon damals in ihrer Jugend, als sie sich zum ersten Mal begegneten, so in ihren Bann gezogen hatte, war erloschen. Ihr Atem ging schnell, oft als schmerzhaftes Keuchen, und hin und wieder liefen ihre Lippen blau an. Sie klagte über Herz- und Rückenschmerzen, aber er fragte sich, ob diese real waren oder lediglich von dem unaussprechlichen Kummer herrühr ten, dass jeder Tag der letzte im Leben ihres Sohnes sein mochte.
    »Was ist denn los, Papa?«, fragte Olga.
    Sie war zweiundzwanzig, seine Erstgeborene. In vielerlei Hinsicht ähnelte sie ihrer Mutter: nachdenklich und intelligent, aber mitunter auch schwermütig und mürrisch.
    »Vielleicht sind wir bald gerettet«, sagte er.
    Die Erregung ließ ihr hübsches Gesicht aufleuchten. Ihre Schwester Tatjana,

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