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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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ein Jahr jünger als sie, und die zwei Jahre jüngere Maria eilten mit Kissen in den Händen herbei. Tatjana war groß und stattlich – sie alle nannten sie Gouvernante – und der Liebling ihrer Mutter. Maria, hübsch, sanftmütig und großäugig, hatte ein kokettes Wesen. Ihr größter Wunsch war, einen russischen Soldaten zu heiraten und ihm zwanzig Kinder zu gebären. Seine mittleren Töchter hatten mitbekommen, was er gesagt hatte.
    Er gebot ihnen zu schweigen.
    Anastasia, siebzehn, blieb bei ihrer Mutter, in den Armen King Charles, den Cockerspaniel, den zu behalten ihre Bewacher ihr erlaubt hatten. Sie war klein und stämmig, galt als aufsässig und war immer für einen Streich zu haben, doch ihren bezaubernden blauen Augen hatte er noch nie widerstehen können.
    Die übrigen vier Gefangenen schlossen sich ihnen rasch an.
    Dr. Botkin, Alexejs Leibarzt; Trupp, Nikolaus’ Kammerdiener; Demidowa, Alexandras Zofe. Und Charitonow, der Koch. Auch Demidowa trug ein Kissen im Arm, aber ein ganz besonderes, wie Nikolaus wusste. Tief in seinen Federn vernäht war eine Schatulle mit Edelsteinen, und Demidowa hatte die Anweisung, das Kissen niemals aus den Augen zu lassen. Alexandra und die Mädchen hatten ebenfalls Schätze in ihren Korsetts versteckt: Diamanten, Smaragde, Rubine und Perlenketten.
    Alexandra humpelte zu ihrem Gemahl und fragte: »Weißt du, was los ist?«
    »Die Weißen sind nah.«
    In ihrem müden Gesicht zeichnete sich Erstaunen ab. »Ist das möglich?«
    »Hierher, bitte«, erklang eine vertraute Stimme aus dem Treppenhaus.
    Nikolaus wandte sich Jurowski zu.
    Der Mann war zwölf Tage zuvor mit einer Schwadron der bolschewistischen Geheimpolizei eingetroffen und hatte den vorherigen Kommandanten und seine undisziplinierten Wachen aus der Arbeiterschaft ersetzt. Zunächst schien dies eine Veränderung zum Guten, doch bald erkannte Nikolaus, dass die neuen Männer Berufssoldaten waren. Vielleicht sogar Magyaren, Kriegsgefangene aus dem österreichisch-ungarischen Heer, angeheuert von den Bolschewiken für jene Dienste, die Russen zuwider waren. Jurowski war ihr Anführer. Ein finsterer Mann mit schwarzem Haar, schwarzem Bart und bärbeißigem Gebaren. Er gab seine Befehle ruhig und erwartete, dass sie unverzüglich befolgt wurden. Sie hatten ihm den Spitznamen »Kommandant Ochs« gegeben, und Nikolaus hatte schon bald den Eindruck gewonnen, dass es diesem Teufel Spaß machte, andere zu tyrannisieren.
    »Wir müssen uns beeilen«, erklärte Jurowski. »Wir haben nicht viel Zeit.«
    Nikolaus forderte die anderen auf, still zu sein, und sie folgten ihm die hölzerne Treppe hinab ins Erdgeschoss. Alexej schlief fest, den Kopf an seine Schulter gelehnt.
    Sie wurden nach draußen und über einen Hof zu einem im Souterrain gelegenen Raum gebracht, der ein einziges Bogenfenster hatte. Die Streifentapete an den Wänden war schmuddelig, Möbel gab es keine.
    »Ihr wartet hier, bis die Wagen kommen«, erklärte Jurowski.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte Nikolaus.
    »Fort«, antwortete ihr Bewacher nur.
    »Keine Stühle?«, fragte Alexandra. »Können wir uns nicht setzen?«
    Jurowski zuckte die Achseln und gab einem seiner Männer einen Befehl. Zwei Stühle wurden gebracht. Alexandra nahm sich einen, und Maria steckte ihrer Mutter ihr Kissen hinter den Rücken. Nikolaus setzte Alexej auf den anderen Stuhl, und Tatjana versuchte, es dem Jungen mit ihrem Kissen so bequem wie möglich zu machen. Die Demidowa drückte weiter ihr Kissen an die Brust.
    Aus der Ferne drang wieder das Grollen von Artillerie herüber. Nikolaus schöpfte neue Hoffnung.
    Jurowski sagte: »Wir müssen euch fotografieren. Manche glauben, ihr wärt entkommen. Stellt euch hier auf.«
    Jurowski wies jedem seinen Platz zu. Am Ende hatten die Töchter hinter ihrer sitzenden Mutter Aufstellung genommen, Nikolaus stand neben Alexej und die vier Bediensteten, hinter ihm. In den vergangenen sechzehn Monaten hatte man schon viele merkwürdige Dinge von ihnen verlangt. Und nun weckte man sie mitten in der Nacht für ein Foto, um sie anschließend wieder woandershin zu bringen. Als Jurowski das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss, sagte keiner ein Wort.
    Einen Augenblick später sprang die Tür wieder auf.
    Aber es trat kein Fotograf mit Stativ und Kamera trat ein, sondern Jurowski und elf mit Revolvern bewaffnete Männer. Die rechte Hand hatte der Russe in der Hosentasche, in der linken hielt er ein Blatt Papier.
    Er begann

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