Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
Vom Netzwerk:
Zarenkommission. Er besaß darüber hinaus engste Verbindungen zu westlichen Unternehmen, von denen viele zum Kundenkreis von Pridgen & Woodworth zählten. Hayes hatte Lord ins Archiv geschickt, um sicherzustellen, dass nichts und niemand Baklanows Anspruch auf den Thron in die Quere kam. Eine offizielle Untersuchung oder womöglich gar Hinweise darauf, dass Baklanows Familie im Zweiten Weltkrieg mit den Deutschen sympathisiert hatte, konnte man derzeit wirklich nicht gebrauchen – mit anderen Worten: Nichts durfte Stefan Baklanows Loyalität zu Russland und seine Liebe zum russischen Volk in Frage stellen.
    Lords Arbeit hatte ihn auf die Spur Nikolaus’ II. des letzten russischen Zaren, geführt und zu den Ereignissen, die sich am 16. Juli 1918 in Sibirien abgespielt hatten. In den vergangenen Wochen hatte er zahlreiche veröffentlichte und etliche unveröffentlichte Darstellungen der damaligen Ereignisse gelesen. Sie alle waren bestenfalls als widersprüchlich zu bezeichnen. Jeder einzelne dieser Berichte musste eingehend untersucht werden, um offensichtliche Unwahrheiten aufzuspüren und Fakten so zusammenzufügen, dass sie ein brauchbares Bild ergaben. Aus seinem ständig wachsenden Berg von Notizen ließ sich allmählich entnehmen, was in jener schicksalhaften Nacht der russischen Geschichte wirklich passiert war.
     
    Nikolaus erwachte aus tiefem Schlaf. Ein Soldat stand über ihn gebeugt. In den letzten Monaten hatte er nur selten wirklich Schlaf gefunden, und so war er verärgert über die Störung. Aber er konnte nichts dagegen tun. Einst war er der Zar von ganz Russland gewesen, Nikolaus II. der Vertreter des Allmächtigen auf Erden. Doch vor einem Jahr, im vergangenen März, hatte man ihn gezwungen, etwas zu tun, was für einen gottgleichen Monarchen undenkbar war: Er hatte sich der Gewalt beugen und abdanken müssen. Die provisorische Regierung, die die Macht übernahm, bestand vorwiegend aus liberalen Abgeordneten der Duma und einer Koalition aus radikalen Sozialisten. Diese Interimsregierung sollte bis zur Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung im Amt bleiben, doch die Deutschen hatten Lenin in der Hoffnung auf eine Destabilisierung Russlands die Durchreise durch ihr Staatsgebiet gestattet.
    Diese Rechnung war aufgegangen.
    Vor zehn Monaten hatte Lenin die schwache provisorische Regierung gestürzt – ein Akt, den Nikolaus’ Wächter stolz »Oktoberrevolution« nannten.
    Warum hatte sein Vetter, der deutsche Kaiser, ihm das angetan? Hasste er ihn denn so sehr? War ihm der Sieg im Weltkrieg so wichtig, dass er bereit war, eine Herrscherdynastie dafür zu opfern?
    Es sah ganz danach aus.
    Nur zwei Monate nach der Machtergreifung unterzeichnete Lenin erwartungsgemäß einen Waffenstillstand mit den Deutschen, und Russland zog sich aus dem Großen Krieg zurück, so dass die Alliierten sich nicht mehr auf eine Ostfront stützen konnten, die einen Großteil der vorrückenden deutschen Truppen hätte binden können. Großbritannien, Frankreich und die Vereinigten Staaten waren davon naturgemäß wenig begeistert. Nikolaus war klar, welch gefährliches Spiel Lenin da spielte. Er versprach den Menschen Frieden, um ihr Vertrauen zu gewinnen, musste diesen Frieden aber hinauszögern, um die Alliierten zu beschwichtigen, und zugleich vermeiden, seinen wahren Verbündeten, den deutschen Kaiser, vor den Kopf zu stoßen. Der fünf Monate zuvor unterzeichnete Vertrag von Brest-Litowsk war eine einzige Katastrophe. Deutschland bekam ein Viertel des russischen Territoriums zugesprochen und fast ein Drittel seiner Bevölkerung – ein Ergebnis, das, wie es hieß, auf großen Unmut gestoßen war. Seinen Wächtern zufolge hatten sich alle Feinde der Bolschewisten schließlich unter einem gemeinsamen weißen Banner zusammengeschlossen, auf das man sich wegen des Kontrasts zur roten Fahne der Kommunisten geeinigt hatte. Ein Teil der Rekruten fühlte sich bereits zu den Weißen hingezogen – vor allem Bauern, die noch immer kein eigenes Land erhalten hatten.
    Und nun tobte ein Bürgerkrieg.
    Weiß gegen Rot.
    Er selbst aber war nur noch Bürger Romanow, Gefangener der roten Bolschewiken.
    Herrscher über niemanden.
    Zusammen mit seiner Familie war er zunächst im Alexanderpalast von Zarskoje Selo unweit von St. Petersburg festgehalten worden. Dann hatte man sie ins zentralrussische Tobolsk gebracht, eine an einem Fluss gelegene Stadt mit weiß getünchten Kirchen und Blockhütten. Die Bewohner dort hatten dem

Weitere Kostenlose Bücher