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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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Morgen hinaus. Der Himmel war strahlend blau und wolkenlos … eher ungewöhnlich für einen russischen Herbsttag. Vielleicht ein gutes Omen?
    Er war noch nie im Facettenpalast gewesen. Touristen hatten hier keinen Zutritt. Als eines der wenigen Bauwerke im Kreml war dieses Gebäude noch in seiner ursprünglichen Form erhalten. Iwan der Große hatte den Palast 1491 errichten lassen und sein Meisterwerk nach den im Rautenmuster verlegten Kalksteinplatten benannt, die die Außenwand zierten.
    Lord knöpfte seinen Mantel zu und folgte Hayes die einst feierlichen Anlässen vorbehaltene Rote Treppe hinauf. Die ursprüngliche Treppe war auf Stalins Befehl zerstört und dieser Nachbau erst vor ein paar Jahren anhand alter Gemälde rekonstruiert worden. Von hier aus waren die Zaren einst zu ihrer Krönung in die angrenzende Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale gegangen. Und genau von dieser Stelle aus hatte Napoleon die Feuersbrunst beobachtet, die Moskau im Jahr 1812 vernichtete.
    Sie gingen auf den Paradesaal zu.
    Lord hatte bisher nur Bilder von diesem altehrwürdigen Raum gesehen, und als er Hayes in sein Inneres folgte, erkannte er schnell, dass keine der Abbildungen der Wirklichkeit gerecht wurde. Er wusste, dass dieser Saal mit seiner Grundfläche von rund 500 Quadratmetern der größte im Moskau des 15. Jahrhunderts gewesen war – erbaut allein zu dem Zweck, ausländische Würdenträger zu beeindrucken. Heute war er von eisernen Kronleuchtern hell erleuchtet, die die Mittelsäule und die prächtigen Wandgemälde mit ihren biblischen Motiven und den Porträts weiser Zaren in glitzerndes Gold tauchten.
    Lord hatte die Szene vor Augen, die sich hier im Jahr 1613 abgespielt hatte.
    Die Dynastie der Rurikiden, die siebenhundert Jahre lang geherrscht hatte – Iwan der Große und Iwan der Schreckliche waren ihre bekanntesten Vertreter –, war erloschen. Danach hatten drei Männer versucht, auf den Zarenthron zu gelangen, aber alle ohne Erfolg. Es folgte die Zeit der Wirren – zwölf Jahre des Schreckens, in denen mehrere Versuche, eine neue Dynastie zu gründen, scheiterten. Schließlich kamen die Bojaren, die genug vom Chaos hatten, in Moskau zusammen, um in ebendiesem Raum, in dem Lord und Hayes jetzt standen, eine neue Herrscherfamilie zu wählen. Die Romanows. Michail, der erste Zar der Romanows, fand allerdings eine in Auflösung begriffene Nation vor. Räuber und Diebe machten die Wälder unsicher, Hunger und Krankheiten hinterließen ihre Spuren. Der Handel war so gut wie zusammengebrochen. Steuern wurden nicht mehr eingetrieben, und die Staatskasse war nahezu leer.
    Also ungefähr so wie heute, dachte Lord.
    Siebzig Jahre Kommunismus hatten dasselbe Chaos hinterlassen wie damals zwölf Jahre ohne Zar.
    Einen Moment lang sah er sich als Bojaren, der an der Wahl des Zaren teilgenommen hatte, stellte sich vor, dass er in Samt und Brokat gekleidet und mit einer Zobelmütze auf dem Kopf auf einer der Eichenbänke säße, die an den vergoldeten Wänden standen.
    Was für ein Augenblick das gewesen sein musste!
    »Schon verrückt«, flüsterte Hayes. »Über all die Jahrhunderte haben diese Narren es nicht geschafft, mehr als eine Ernte pro Jahr aus einem Weizenfeld herauszuholen, aber das hier konnten sie bauen.«
    Lord stimmte ihm zu.
    Eine hufeisenförmige Tischreihe mit Tischdecken aus rotem Samt nahm die eine Seite des Saals ein. Er zählte siebzehn hochlehnige Stühle und sah zu, wie jeder von einem männlichen Delegierten besetzt wurde. Keine einzige Frau hatte es unter die siebzehn Auserwählten geschafft. Regionale Wahlen hatten nicht stattgefunden. Nur eine dreißigtägige Anwartschaftszeit und dann eine russlandweite Abstimmung, aus der die siebzehn Kandidaten mit den meisten Stimmen als Mitglieder der Kommission hervorgegangen waren. Im Grunde einfach ein riesiger Beliebtheitswettbewerb, aber vielleicht das einfachste Mittel, um zu verhindern, dass bei der Abstimmung eine bestimmte politische Richtung die Oberhand gewann.
    Er folgte Hayes zu einer Stuhlreihe und ließ sich dort gemeinsam mit den übrigen Mitarbeitern und Reportern nieder. Fernsehkameras waren installiert worden, um die Sitzungen live zu übertragen.
    Ein Delegierter, der am Vortag zum Vorsitzenden der Kommission ernannt worden war, rief die Anwesenden zur Ordnung. Er räusperte sich und verlas in russischer Sprache eine vorbereitete Erklärung.
    »Am 16. Juli 1918 wurden unser hochwohlgeborener Zar Nikolaus II. und all seine Erben aus diesem

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