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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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Lenin-Mausoleum für Besucher geschlossen. Lord fand diese Geste lächerlich, doch sie schien ausreichend, um das Ego derjenigen zufrieden zu stellen, die einst dieses 150-Millionen-Volk regiert hatten.
    Ein uniformierter Wachposten reagierte auf den leuchtend orangefarbenen Aufkleber auf der Windschutzscheibe ihres Wagens und winkte das Fahrzeug durch das Tor des Erlöserturms. Lord fand es aufregend, durch dieses Tor in den Kreml zu fahren. Der Erlöserturm war im Jahr 1491 von Iwan III. im Rahmen seines umfassenden Umbaus des Kreml errichtet worden, und durch dieses Tor war jeder neue Zar und jede neue Zarin in dieses alte Zentrum der Macht eingeführt worden. Heute war es der offizielle Eingang für die Zarenkommission und deren Mitarbeiterstab. Lord war noch immer ein wenig zittrig. Die Bilder der Jagd auf ihn, die sich am Tag zuvor unweit von hier abgespielt hatte, gingen ihm nicht aus dem Kopf. Hayes hatte ihm beim Frühstück versichert, dass man kein Risiko eingehen würde und seine Sicherheit garantiert sei. Darauf verließ sich Lord nun. Er vertraute Hayes, respektierte ihn. Lord wollte unbedingt dabei sein, wenn hier Geschichte geschrieben wurde, fragte sich aber dennoch, ob es nicht unklug war zu bleiben.
    Was würde sein Vater wohl sagen, wenn er ihn jetzt sehen könnte?
    Reverend Grover Lord hatte nie viel von Anwälten gehalten. Er hatte sie immer die Heuschreckenplage der Gesellschaft genannt. Für einen Fototermin besuchte sein Vater mit einer Gruppe von Südstaatenpredigern einmal das Weiße Haus, nachdem der Präsident einen vergeblichen Versuch gestartet hatte, das Schulgebet wieder einzuführen. Kein Jahr später hob der Oberste Gerichtshof das Gesetz als nicht verfassungskonform wieder auf. Gottlose Heuschrecken! , hatte sein Vater von der Kanzel gebrüllt.
    Grover Lord war strikt dagegen, dass sein Sohn ausgerechnet Anwalt werden wollte, und drückte seine Missbilligung dadurch aus, dass er keinen Cent zur Lords Ausbildung beisteuerte, obwohl er diese problemlos hätte bezahlen können. So war Lord gezwungen gewesen, sich sein Studium mit Hilfe von Darlehen und Nachtarbeit zu finanzieren. Trotzdem hatte er seine Abschlussprüfung mit Auszeichnung bestanden. Er hatte einen hervorragenden Job gefunden und war schon ein gutes Stück die Karriereleiter hinaufgeklettert. Und jetzt sollte er Zeuge eines historischen Moments werden.
    Zum Teufel also mit Grover Lord.
    Der Wagen rollte in den Hof des Kreml.
    Lord bewunderte das kompakte neoklassizistische Gebäude, in dem einst das Präsidium des Obersten Sowjet getagt hatte. Auf dem Dach flatterte nun anstelle der roten Fahne der Bolschewiken der kaiserliche doppelköpfige Adler im Morgenwind. Lord bemerkte auch das Fehlen des Lenin-Denkmals, das einst weiter rechts gestanden hatte, und musste an die heftigen Proteste bei dessen Entfernung denken. Dieses eine Mal hatte Jelzin den Widerstand des Volkes ignoriert und das eiserne Standbild kurzerhand einschmelzen lassen.
    Lord bestaunte den Gebäudekomplex um ihn herum. Der Kreml verkörperte die Liebe der Russen zum Großformat. Plätze, auf denen bei Paraden mobile Raketenabschussbasen auffahren konnten, Glocken so groß und schwer, dass es nie gelang, sie in die für sie vorgesehenen Türme zu hieven, und Raketen, deren Antrieb so stark war, dass sie unkontrollierbar waren – all das hatte die Russen schon immer beeindruckt. Größer bedeutete für sie immer auch besser.
    Der Wagen verlangsamte seine Fahrt und bog rechts ab.
    Die Erzengel-Michael-Kathedrale und die Maria-Verkündigungs-Kathedrale erhoben sich zu seiner Linken, die Mariä-Himmelfahrts- und die Zwölf-Apostel-Kathedrale zu seiner Rechten. Weitere übertrieben protzige Gebäude. Sie alle waren von Iwan III. in Auftrag gegeben worden und hatten ihm den Beinamen »der Große« eingebracht. Lord wusste, dass zahlreiche Kapitel der russischen Geschichte in diesen altehrwürdigen, von vergoldeten Zwiebeltürmen und kunstvoll gearbeiteten byzantinischen Kreuzen gekrönten Gemäuern begonnen und geendet hatten. Er hatte sie natürlich schon besucht, aber nie zu träumen gewagt, je in einer Staatskarosse hierher chauffiert zu werden, um seinen Teil dazu beizutragen, in Russland wieder die Monarchie einzusetzen. Nicht schlecht für den Sohn eines Südstaaten-Predigers.
    »Ach du liebe Scheiße«, entfuhr es Hayes.
    Lord lächelte. »Besser hätte auch ich es nicht formulieren können.«
    Der Wagen kam zum Stehen.
    Sie traten in den frostigen

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