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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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durfte es keiner wagen, sie ohne ausdrückliche Erlaubnis zu berühren. Doch sie leistete keinen Widerstand, ja es gefiel ihr sogar. Er riss ihren Kopf zurück und durchbohrte sie mit seinem Blick. Seine ganze Persönlichkeit schien in seinen hellblauen Augen konzentriert. Man konnte ihnen nicht entkommen; sie waren wie phosphoreszierende Flammen, die ihr Gegenüber zugleich durchdrangen und liebkosten, weit weg und doch ganz nah. Sie konnten tief in ihre Seele blicken, bisher hatte sie ihnen noch kein einziges Mal widerstehen können.
    » Matjuschka , Ihr dürft über unseren Herrn nicht so sprechen. Der Kleine braucht Euren Glauben. Er ist darauf angewiesen, dass Ihr auf Gott vertraut.«
    »Ich vertraue auf Sie.«
    Er ließ von ihr ab. »Ich bin nichts. Ich bin lediglich Gottes Werkzeug. Ich bewirke nichts.« Er deutete zum Himmel. »Er hingegen bewirkt alles.«
    Tränen schossen ihr in die Augen, und beschämt glitt sie von ihrem Stuhl zu Boden. Ihr Haar war ungekämmt, das einst so schöne Gesicht fahl und nach all den Jahren von Sorgenfalten durchzogen. Ihre Augen schmerzten vom Weinen. Sie hoffte, dass niemand den Raum betreten möge. Nur in Gegenwart des Starez konnte sie ihren Gefühlen als Frau und Mutter freien Lauf lassen. Sie begann zu schluchzen und umarmte seine Beine, während sie die Wangen an Kleider schmiegte, die nach Pferden, Schlamm und Wodka stanken.
    »Sie sind der Einzige, der ihm helfen kann«, erklärte sie.
    Reglos stand Rasputin vor ihr. Wie ein Baumstamm, dachte sie. Bäume vermochten auch dem härtesten russischen Winter zu widerstehen, um dann im Frühjahr erneut auszuschlagen. Dieser heilige Mann, den zweifellos Gott ihr geschickt hatte, war ihr Baum.
    »Mütterchen, das ist keine Lösung. Gott will Eure Frömmigkeit, nicht Eure Tränen. Gefühle beeindrucken ihn nicht. Er verlangt nach Glauben. Der Art von Glauben, die nie ein Hauch von Zweifel trübt …«
    Sie spürte, wie Rasputin zitterte. Sie ließ ihn los und blickte zu ihm auf. Sein Gesicht war nun ausdruckslos, und er verdrehte die Augen. Sein Körper erbebte, bevor die Beine nachgaben und er zu Boden sackte.
    »Was ist denn?«, fragte sie.
    Er antwortete nicht.
    Sie packte ihn am Hemd und schüttelte ihn. »Sprechen Sie zu mir, Starez. «
    Langsam öffnete er die Augen. »Ich sehe haufenweise Leichen, mehrere Großherzöge und Hunderte von Grafen. Die Newa wird rot sein von ihrem Blut.«
    »Was wollen Sie damit sagen, Vater?«
    »Eine Vision, Matjuschka. Sie ist wieder da. Ist Euch klar, dass ich in nicht allzu ferner Zukunft eines schrecklichen Todes sterben werde?«
    Was redete er da?
    Er ergriff ihre Arme und zog sie dicht zu sich heran. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben, aber er sah nicht sie an. Sein Blick schien auf einen Punkt in weiter Ferne gerichtet.
    »Noch vor dem neuen Jahr werde ich aus diesem Leben scheiden. Denkt daran, Mütterchen – falls ich gewöhnlichen Mördern zum Opfer falle, hat der Zar nichts zu befürchten. Er wird seinen Thron behaupten, und auch Euren Kindern droht keine Gefahr. Sie werden noch viele Jahrhunderte regieren. Sollte ich aber von Adligen ermordet werden, wird mein Blut fünfundzwanzig Jahre lang ihre Hände besudeln. Sie werden Russland verlassen. Bruder wird sich gegen Bruder erheben, und sie werden einander in ihrem Hass töten. Danach wird es im Land keinen Adel mehr geben.«
    Sie erschrak. »Vater, warum sagen Sie das?«
    Sein Blick richtete sich wieder auf sie. »Falls einer der Verwandten des Zaren den Mord an mir begeht, hat keiner aus Eurer Familie noch mehr als zwei Jahre zu leben. Sie alle werden vom russischen Volk getötet. Sorgt Euch um Euer Heil und erklärt Euren Verwandten, ich habe für sie mit meinem Leben bezahlt.«
    »Das ist doch Unsinn, Vater.«
    »Es ist eine Vision, die ich schon mehrmals hatte. Die Nacht ist finster von all dem Leid, das vor uns liegt. Ich werde es nicht mehr erleben. Meine letzte Stunde naht, doch so bitter das auch sein mag, ich fürchte sie nicht.«
    Erneut begann er zu zittern.
    »Herr im Himmel, das Böse ist so übermächtig, dass Hunger und Krankheit die Erde erbeben lassen. Mütterchen Russland wird es bald nicht mehr geben.«
    Wieder schüttelte sie ihn. »Vater, so etwas dürfen Sie nicht sagen. Alexej braucht Sie.«
    Er wurde ganz r uhig. »Fürchtet Euch nicht, Mütterchen. Ich habe noch eine andere Vision. Erlösung. Sie erscheint mir zum ers ten Mal. Was für eine Prophezeiung! Ich sehe sie klar und deutlich vor

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