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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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Handgelenk und Unterarm. »Sie hier, als Schüsse fallen?«
    Der Inspektor sprach Englisch mit einem starken Akzent, und Lord spielte schon mit dem Gedanken, ihm auf Russisch zu antworten. Es würde die Kommunikation zweifellos erleichtern. Die meisten Russen gingen davon aus, dass Amerikaner zu arrogant oder schlicht zu faul waren, ihre Sprache zu lernen – vor allem schwarze Amerikaner, die, wie Lord festgestellt hatte, von den Russen eher wie Kuriositäten aus dem Zirkus angesehen wurden. Er war in den vergangenen zehn Jahren ein gutes Dutzend Mal in Moskau gewesen und zu dem Schluss gelangt, dass es besser war, seine Sprachkenntnisse für sich zu behalten; so bekam er beispielsweise die Chance, Gespräche zwischen Anwälten und Geschäftsleuten zu belauschen, die sich im sicheren Schutz einer Sprachbarriere wähnten. Zudem hatte er im Augenblick das Gefühl, niemandem trauen zu können. Bislang hatten sich seine Begegnungen mit der Polizei auf einige Diskussionen über falsches Parken beschränkt und auf das eine Mal, als er fünfzig Dollar berappen musste, um eine Anklage wegen eines angeblichen Verkehrsvergehens zu vermeiden. Die Moskauer Polizei zockte gern Ausländer ab. Was erwarten Sie von jemandem, der hundert Rubel im Monat verdient? , hatte der Polizeibeamte ihn gefragt, während er seine fünfzig Rubel in die Tasche steckte.
    »Die Schützen waren Polizisten«, erklärte er auf Englisch.
    Der Russe schüttelte den Kopf. »Sie Kleider wie Polizisten. Milizija nicht schießen Leute.«
    »Die schon.« Er ließ den Blick am Inspektor vorbei zu den blutigen Überresten von Artemy Bely schweifen. Der junge Russe lag mit dem Gesicht nach oben auf dem Gehsteig, die Augen geöffnet. Braunrote Rinnsale sickerten aus seiner Brust. »Wie viele hat es erwischt?«
    »Pjat.«
    »Fünf? Und wie viele sind tot?«
    »Tschetyre.«
    »Das scheint Sie nicht weiter zu beunruhigen. Vier Menschen am helllichten Tag auf offener Straße erschossen!«
    Oleg zuckte die Achseln. »Wenig zu machen. Dach schwer zu kontrollieren.«
    »Das Dach« war der gängige Name für die Mafija , die sich in Moskau und weiten Teilen Westrusslands ausgebreitet hatte. Er hatte nie herausgefunden, wie der Ausdruck entstanden war. Vielleicht kam er ja daher, dass die Leute von oben bezahlten; vielleicht drückte er auch metaphorisch aus, dass man es mit der Mafija nach ganz oben bringen konnte. Die dicksten Schlitten, die größten Datschen und die gediegenste Kleidung besaßen immer die Gangster. Keiner gab sich auch nur die geringste Mühe, seinen Reichtum zu verbergen. Im Gegenteil: Die Mafija neigte dazu, sowohl der Regierung als auch dem Volk gegenüber mit ihrem Reichtum zu protzen. Sie war eine gesellschaftliche Schicht für sich und hatte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit entwickelt. Die Leute, zu denen Lord geschäftliche Kontakte hatte, betrachteten die Zahlung von Schutzgeldern als völlig normal und ebenso notwendig für das wirtschaftliche Überleben ihrer Firma wie zuverlässige Mitarbeiter und einen ausreichenden Warenbestand. Mehr als ein russischer Bekannter hatte ihm erklärt, dass es immer ratsam sei, die Herren in den Armani-Anzügen ernst zu nehmen, wenn sie zu Besuch kamen, den Spruch Bog zaweschtschajet delitsja – Gott befiehlt uns zu teilen – auf den Lippen.
    »Mein Interesse«, sagte Oleg, »warum diese Männer Sie jagen.«
    Lord deutete auf Bely. »Warum deckt ihr ihn nicht wenigstens zu?«
    »Ihm nichts mehr ausmacht.«
    »Aber mir. Ich habe ihn gekannt.«
    »Wie?«
    Er fand seine Brieftasche. Der laminierte Spezialausweis, den er vor Wochen erhalten hatte, hatte das Mörtelbad überstanden. Er reichte ihn Oleg.
    »Sie gehören zu Zar-Kommission?«
    Dahinter steckte die unausgesprochene Frage, warum ausgerechnet ein Amerikaner mit einer so urrussischen Angelegenheit befasst war. Der Inspektor wurde ihm immer unsympathischer. Lord fing an, ihn nachzuahmen, es schien ihm der beste Weg, seine Gefühle auszudrücken.
    »Ich gehören zu Zar-Kommission.«
    »Ihre Aufgaben?«
    »Das vertraulich.«
    »Vielleicht wichtig für diese Sache.«
    Sein Sarkasmus ging spurlos an Oleg vorüber. »Dann müssen Sie sich an die Kommission wenden.«
    Der Inspektor deutete auf den Leichnam. »Und der da?«
    Lord erklärte ihm, dass Artemy Bely Anwalt im Justizministerium gewesen sei, in der Kommission mitgearbeitet und ihm Zugang zu den sowjetischen Archiven verschafft habe. Auf persönlicher Ebene wisse er lediglich, dass Bely ledig

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