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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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gewesen sei, in einer städtischen Wohnung nördlich von Moskau gewohnt habe und ihn eines Tages gern mal in Atlanta besucht hätte.
    Er trat näher und betrachtete den Leichnam.
    Es war schon einige Zeit her, dass er zum letzten Mal eine so übel zugerichtete Leiche zu Gesicht bekommen hatte. Während seines Einsatzes als Reservist in Afghanistan, der von den vorgesehenen sechs Monaten auf ein Jahr ausgedehnt worden war, hatte er schon Schlimmeres gesehen. Er war dort in seiner Eigenschaft als Anwalt gewesen, nicht als Soldat. Man hatte ihn wegen seiner Sprachkenntnisse abkommandiert und nach der Vertreibung der Taliban als Verbindungsoffizier zum Außenministerium eingesetzt. Seine Kanzlei hatte es für wichtig erachtet, dort Präsenz zu zeigen. Gut fürs Image. Gut für seine Karriere. Er hatte es jedoch bald satt gehabt, sich auf Papierkram zu beschränken, und geholfen, die Toten zu begraben. Die Afghanen hatten schwere Verluste erlitten, weit mehr, als in der Weltpresse je bekannt geworden war. Noch immer spürte er die sengende Sonne und den scharfen Wind, die die Verwesung beschleunigt und seine unangenehme Aufgabe zusätzlich erschwert hatten. Der Tod war eben nirgendwo angenehm.
    »Dumdum«, erklärte Oleg hinter ihm. »Hinein kleine Loch, heraus große Loch. Viel mitnehmen.« Im Tonfall des Inspektors lag keinerlei Mitgefühl.
    Lord sah sich um und blickte in ausdruckslose, wässrige Augen. Oleg roch leicht nach Alkohol und Pfefferminze. Seine flapsige Reaktion auf die Bitte, die Leiche zuzudecken, hatte Lord übel genommen. Er trennte sich von seiner wärmenden Decke und legte sie über den Leichnam.
    »Wir bedecken unsere Toten«, erklärte er Oleg.
    »Hier zu viele.«
    Olegs Zynismus verschlug Lord die Sprache. Dieser Polizist hatte wohl einiges mitgemacht. Er hatte zusehen müssen, wie seiner Regierung allmählich die Kontrolle entglitt, hatte wie die meisten Russen oft vergeblich auf sein Gehalt gehofft und wahrscheinlich für Naturalien oder US-Dollar vom Schwarzmarkt gearbeitet. Über siebzig Jahre Kommunismus hatten ihre Spuren hinterlassen. Die Russen nannten es Bespredel , Anarchie. Unauslöschlich wie eine Tätowierung. Der Ruin für jedes Land.
    »Justizministerium oft Ziel von Verbrechen«, erklärte Oleg. »Zu wenig achten auf Sicherheit. Sind gewarnt worden.« Er zeigte auf den Leichnam. »Nicht erste oder letzte Anwalt, der sterben.«
    Lord erwiderte nichts.
    »Vielleicht unsere neue Zar wird lösen alles?«, fragte Oleg.
    Lord stand jetzt ganz dicht vor dem Inspektor. »Alles ist besser als das hier.«
    Oleg bedachte ihn mit einem abschätzigen Blick, und Lord war sich nicht sicher, ob der Polizist ihm in diesem Punkt zustimmte oder nicht. »Sie mir noch nicht antworten. Warum Männer Sie jagen?«
    Er hörte wieder, was Hängelid sagte, als er aus dem Volvo glitt. »Der verdammte Tschorni lebt noch.« Sollte er es Oleg erzählen? Irgendetwas an diesem Inspektor stimmt nicht, dachte Lord. Aber vielleicht war seine Paranoia ja nur die Folge des eben ausgestandenen Schrecks. Er musste jetzt unbedingt in sein Hotel zurück, um alles mit Taylor Hayes zu besprechen.
    »Keine Ahnung – außer vielleicht, dass ich als Zeuge nah genug dran war, um eine gute Beschreibung der beiden zu liefern. Hören Sie, Sie haben meinen Sicherheitsausweis gesehen und wissen, wo Sie mich finden können. Ich bin total durchnässt und friere mich hier zu Tode, außerdem ist der traurige Rest meiner Kleidung voller Blut. Ich würde mich jetzt wirklich gern umziehen. Könnte einer Ihrer Leute mich ins Wolchow fahren?«
    Der Inspektor antwortete nicht sofort. Er starrte ihn einfach nur an.
    Dann gab Oleg ihm seinen Sicherheitsausweis zurück.
    »Natürlich, Herr Kommissionsanwalt. Wie Sie wünschen. Ich schon haben Auto bereit.«
    3
    So wurde Lord von einem Streifenwagen zum Haupteingang des Hotels Wolchow gefahren. Der Türsteher ließ ihn wortlos passieren. Seine durchweichte Hotelkarte brauchte er nicht vorzuzeigen. Er war der einzige Farbige dort und somit unverkennbar, auch wenn ihm der Zustand seiner Kleidung verwunderte Blicke eintrug. Das Wolchow war zu Beginn des 20. Jahrhunderts, noch vor der Revolution, erbaut worden. Es lag nahe dem Stadtzentrum nordwestlich des Kreml und des Roten Platzes an einem belebten Platz gegenüber dem Bolschoi-Theater. Während der Sowjetzeit hatte man von den Zimmern an der Straße einen guten Blick auf das wuchtige Lenin-Museum und das Karl-Marx-Denkmal. Beide Denkmäler waren

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