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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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zum Zeichen dafür, dass er Wodka wollte. Den hatte er im Moment dringend nötig.
    »Erzählen Sie schon, Miles«, forderte Hayes ihn auf.
    Lord schilderte, was ihm widerfahren war. Alles. Auch von der Bemerkung, die der eine Schütze gemacht hatte, und von Inspektor Olegs Vermutung, dass der Anschlag Bely und dem Justizministerium gegolten habe. Dann fügte er hinzu: »Taylor, ich glaube, die Typen hatten es auf mich abgesehen.«
    Hayes schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Wahrscheinlich wollten sie einfach nur einen Zeugen zum Schweigen bringen, und Sie waren zufällig der einzige Schwarze weit und breit.«
    »Aber auf der Straße waren Hunderte von Menschen. Warum sind sie dann ausgerechnet auf mich losgegangen?«
    »Weil Sie mit Bely zusammen waren. Dieser Inspektor hat schon Recht. Es könnte ein Anschlag auf Bely gewesen sein. Vielleicht haben die Typen den ganzen Tag auf den richtigen Moment gewartet. So klingt es jedenfalls in meinen Ohren.«
    »Aber wir wissen es nicht.«
    »Miles, Sie haben Bely doch erst vor ein paar Tagen kennen gelernt. Sie wissen doch gar nichts über ihn. Hier sterben Tag für Tag Menschen, und das aus den unterschiedlichsten Gründen.«
    Lord betrachtete die dunklen Flecken auf seinem Mantel und musste erneut an AIDS denken. Der Kellner kam mit seinem Drink, und Hayes schob dem Mann ein paar Rubel hin. Lord holte tief Luft und kippte einen kräftigen Schluck hinunter, um sich zu beruhigen. Er hatte russischen Wodka immer schon gemocht, weil er einfach der beste war. »Wollen wir mal hoffen, dass Bely HIV-negativ ist. Ich habe immer noch sein Blut an mir.« Er stellte sein Glas ab. »Meinen Sie, ich sollte das Land verlassen?«
    »Möchten Sie das?«
    »Verdammt, nein. Hier wird gerade Geschichte geschrieben, da kann ich mich doch nicht einfach aus dem Staub machen. Das ist eine Sache, die ich noch meinen Enkeln erzählen kann. Ich war dabei, als der russische Zar seinen Thron zurückerhielt.«
    »Dann sollten Sie besser nicht gehen.«
    Noch ein Schluck Wodka. »Andererseits möchte ich meine Enkel ganz gerne noch erleben.«
    »Wie sind Sie eigentlich entkommen?«
    »Ich bin gerannt wie der Teufel. Und hab mir dabei komischerweise mit meinem Großvater und der Waschbärenjagd Mut gemacht.«
    Hayes’ Gesicht verriet Neugierde.
    »Das war in den Vierzigerjahren in den Südstaaten ein Zeitvertreib der Rassisten. Man schleppte einen Nigger in den Wald, ließ die Bluthunde ausgiebig an ihm schnuppern und gab ihm dann dreißig Minuten Vorsprung.« Ein weiterer Schluck Wodka. »Aber die Arschlöcher haben meinen Opa nie gekriegt.«
    »Möchten Sie, dass ich Ihnen einen Leibwächter besorge?«, fragte Hayes.
    »Gute Idee.«
    »Ich würde Sie gern hier in Moskau behalten. Uns erwartet vermutlich ein hartes Stück Arbeit, und dafür brauche ich Sie.«
    Lord wollte auch selbst gerne bleiben. Also redete er sich ein, dass Hängelid und Cro-Magnon ihn nur aufs Korn genommen hatten, weil er den Mord an Bely beobachtet hatte. Er war ein Augenzeuge, nichts weiter. Das war schon alles. Welchen Grund könnten die beiden sonst gehabt haben? »Ich habe all meine Sachen im Archiv gelassen. Ich dachte, ich geh nur schnell was essen.«
    »Ich rufe an und lasse alles rüberbringen.«
    »Nein. Ich denke, ich dusche erst mal und hol die Sachen dann selber. Ich hab ohnehin noch zu tun.«
    »Haben Sie was Bestimmtes im Auge?«
    »Eigentlich nicht. Ich versuche nur, Zusammenhänge zu erkennen. Wenn ich auf etwas Konkretes stoße, sage ich Ihnen Bescheid. Arbeit ist jetzt die beste Ablenkung.«
    »Was ist mit morgen? Können Sie das Briefing übernehmen?«
    Der Kellner kam mit einem neuen Glas Wodka.
    »Klar doch.«
    Hayes lächelte. »Das ist die richtige Einstellung. Ich wusste ja, dass Sie ein zäher Bursche sind.«
    4
    14.30 Uhr
     
    Hayes bahnte sich seinen Weg durch die Masse von Pendlern, die aus der U-Bahn strömten. Bahnsteige, die gerade noch leer waren, wimmelten nun von Tausenden von Moskauern. Sie alle steuerten auf die vier Rolltreppen zu, die, fast hundert Meter lang, aus der Tiefe nach oben führten. Allein der Anblick war beeindruckend, doch mehr noch faszinierte Hayes die Stille. So war es immer. Nichts als Schuhsohlen auf Stein und das Geraschel sich streifender Mäntel. Mitunter ertönte auch die eine oder andere Stimme, aber alles in allem wirkte die Prozession von acht Millionen Menschen, die jeden Morgen in das belebteste U-Bahn-Netz der Welt hinein- und jeden Abend

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