Die Romanow-Prophezeiung
Jeder russische Bauer hätte etwas derart Kostbares schon längst eingeschmolzen, wenn es ihm in seiner ursprünglichen Form nicht noch wertvoller gewesen wäre. Kolja Maks hat seine Aufgabe offensichtlich ernst genommen. Wie auch Wassili und Josif. Beide sind dafür gestorben.«
Er starrte durch die Windschutzscheibe in die Dunkelheit. Eine plötzliche Woge der Entschlossenheit erfasste ihn. »Weißt du, wo wir uns befinden?«
Sie nickte. »Nahe der ukrainischen Grenze, fast schon außerhalb Russlands. Diese Schnellstraße führt nach Kiew.«
»Wie weit?«
»Vierhundert Kilometer. Allerhöchstens.«
Er erinnerte sich an die Papiere des Außenministeriums, die er vor seinem Aufbruch nach Moskau gelesen hatte und in denen über die fehlenden Grenzkontrollen zwischen Russland und der Ukraine berichtet wurde. Es hatte sich einfach als zu teuer erwiesen, alle Grenzstellen mit Zöllnern zu besetzen, und da in der Ukraine so viele Russen lebten, betrachtete man diese Ausgaben als überflüssig.
Er warf einen Blick durchs Rückfenster. Hinter ihnen lag die Begegnung mit Hängelid, Cro-Magnon und Felix Oleg gerade eine Stunde zurück. Vor ihnen war die Bahn frei.
»Fahren wir. Ich denke, wir können in Kiew einen Flug bekommen.«
30
Moskau
Montag, 18. Oktober
2.00 Uhr
Hayes studierte die Mienen der fünf Menschen, die sich in dem holzgetäfelten Raum versammelt hatten. Es war derselbe Raum, den sie seit sieben Wochen benutzten. Stalin, Lenin, Breschnew und Chruschtschow waren anwesend, ebenso wie der Priester, den Patriarch Adrian als seinen persönlichen Gesandten geschickt hatte. Dieser war ein kleiner Mann mit einem krausen, in seiner Struktur an Stahlwolle erinnernden Bart und wässrig entzündeten, grünen Augen. Der Gesandte war weitblickend genug gewesen, sich in Anzug und Krawatte zu kleiden, sodass ihm die Verbindung zur Kirche nicht anzusehen war. Er hatte wie von selbst den Spitznamen Rasputin erhalten, der dem Priester allerdings gar nicht gefiel.
Alle Männer waren aus tiefem Schlaf gerissen und gebeten worden, innerhalb einer Stunde zu erscheinen. Zu viel stand auf dem Spiel, um bis zum nächsten Morgen zu warten. Hayes war froh, dass man Essen und Trinken hatte anrichten lassen. Es gab Platten mit Fischfilet und Salami, rote und schwarze Kaviarhäufchen auf hart gekochten Eiern, Kognak, Wodka und Kaffee.
In den letzten Minuten hatte Hayes erklärt, was am Vortag in Starodug vorgefallen war. Zwei tote Maks, aber keine Informationen. Beide hatten sich geweigert, etwas preiszugeben. Josif Maks hatte ihnen nur den Weg zu Wassili verraten, der sie seinerseits zum Grab geführt hatte. Ansonsten hatte er nichts gesagt, bis auf seinen Ruf an den Raben.
»Es war das Grab von Kolja Maks. Wassili Maks war sein Sohn«, erklärte Stalin. »Kolja gehörte zu Nikolaus’ Zeit der Palastwache des Zaren an. Während der Revolution wechselte er die Seiten und war zur Zeit der Exekution der Zarenfamilie in Jekaterinburg stationiert. Auf der Liste des Exekutionskommandos taucht er nicht auf, aber angesichts der Lückenhaftigkeit der damaligen Aufzeichnungen hat das nichts zu bedeuten. Er wurde niemals zu einer Aussage aufgefordert. Im Grab trug er eine Uniform, die vermutlich aus seiner Zeit im Dienst des Zaren stammte.«
Breschnew beugte sich vor und richtete eine Frage an Hayes: »Ihr Mr. Lord suchte offensichtlich etwas in dem Grab. Und er hat es gefunden.«
Als die drei Männer mit der Nachricht von ihrem Misserfolg nach Starodug zurückgekehrt waren, waren Hayes und Stalin noch in der Nacht selbst zum Grab gefahren. Dort war jedoch nichts zu finden gewesen, und man hatte die beiden Maks bei ihrem Vorfahren in der Erde zurückgelassen.
»Wassili Maks hat uns nur zum Grab geführt, um Lord die Botschaft zu übermitteln«, sagte Breschnew . »Einzig aus dem Grund war er zu diesem Gang bereit.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Lenin.
»Er war ein Mensch, der seine Pflicht offensichtlich ernst nahm. Wenn er das Grab preisgegeben hat, dann mit Sicherheit nur, weil er Lord noch etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Er wusste, dass sein Tod bevorstand, doch er wollte seine Aufgabe zuvor noch zu Ende bringen.« Allmählich ging ihm die Geduld mit seinen russischen Verbündeten aus. »Würden Sie mir jetzt bitte erklären, was hinter dieser ganzen Sache steht? Sie beauftragen mich, hier in Russland einen Mord nach dem anderen zu veranlassen, dabei weiß ich noch nicht einmal, warum. Hinter was sind Lord
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