Die Romanow-Prophezeiung
hatte er enorme Schuldgefühle und schmiedete deswegen diesen Plan.«
»Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Hayes.
Stalin lächelte. »Seit dem Niedergang des Kommunismus haben die Archive ihre Geheimnisse preisgegeben. Es ist wie mit einer Babuschka-Puppe – unter jeder Schicht kommt eine neue hervor. Niemand von uns wollte, dass dies geschieht, aber wir glaubten, dass die Zeit der Enthüllung jetzt gekommen sei.«
»Sie vermuteten schon die ganze Zeit, dass ein Romanow überlebt hat?«
»Wir vermuteten gar nichts«, erwiderte Breschnew, »fürchteten aber, dass etwas, was vor Jahrzehnten eingefädelt wurde, vielleicht jetzt, mit dem Neubeginn der Zarenherrschaft, ans Licht kommen könnte. Anscheinend hatten wir Recht. Dass Ihr Mr. Lord nun in die Sache verwickelt ist, war nicht beabsichtigt, doch vielleicht ist diese Entwicklung von Vorteil.«
»In unseren Archiven gibt es massenhaft Berichte von Leuten, die an den Hinrichtungen von Jekaterinburg beteiligt waren«, fügte Stalin hinzu. »Aber Jussupow ging raffiniert vor. Er weihte nur wenige unverzichtbare Mitwisser in seinen Plan ein. Lenins und Stalins Geheimpolizei brachten nur unwichtige Kleinigkeiten in Erfahrung. Eine Bestätigung hat es nie gegeben, bis heute.«
Hayes trank seinen Kaffee und fragte dann: »Soweit ich weiß, führte Jussupow nach seiner Flucht aus Russland ein sehr bescheidenes Leben.«
»Er war dem Beispiel des Zaren gefolgt und hatte den größten Teil seiner Auslandsinvestitionen beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Russland zurückgeführt«, erklärte Breschnew. »Was bedeutete, dass sein ganzes Vermögen hier war. Die Bolschewiken enteigneten alles, was er in Russland besaß, darunter auch die von den Jussupows gesammelten Kunstgegenstände und den Familienschmuck. Aber Väterchen Felix war gewiefter, als es den Anschein hatte. Er besaß noch Gelder in Europa, insbesondere in der Schweiz und in Frankreich. Trotz des bescheidenen Lebensstils, den er zur Schau stellte, verfügte er immer über Vermögen. Einige Dokumente weisen darauf hin, dass er in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts mit amerikanischen Eisenbahnaktien handelte, diese aber noch vor der Depression in Gold tauschte. Die Sowjets suchten nach einem Tresor, in dem er sein Gold versteckt hatte, fanden aber nichts.«
Nun ergriff Lenin das Wort: »Vielleicht hat er auch Auslandsgelder des Zaren verwaltet, die den Bolschewiken entgangen sind. Es gibt die Vermutung, dass Nikolaus II. heimlich Millionen von Rubel in ausländische Banken schaffte, und bis zu seinem Tod in den späten Sechzigerjahren unternahm Jussupow immer wieder Reisen in die Vereinigten Staaten.«
Hayes war erschöpft, doch in seinen Adern kreiste Adrenalin. »Und was machen wir jetzt?«
»Wir müssen Miles Lord und die Frau finden«, antwortete Chruschtschow. »Ich habe eine Warnung an alle Grenzposten ausgegeben, doch vermutlich ist es schon zu spät. An der ukrainischen Grenze, die für die beiden am nächsten lag, unterhalten wir keine Zollposten mehr. Mr. Hayes, Sie haben die Möglichkeit, jederzeit an jeden beliebigen Ort zu reisen. Sie müssen sich bereit halten. Höchstwahrscheinlich wird Lord Sie kontaktieren. Er hat keinen Grund, Ihnen zu misstrauen. Wenn er sich bei Ihnen meldet, müssen Sie sofort handeln. Ich gehe davon aus, dass Sie den Ernst der Lage verstehen.«
»O ja«, antwortete Hayes. »Ich habe durchaus verstanden.«
31
Atlanta, Georgia
7.15 Uhr
Akilina sah zu, wie Lord die Tür zu seiner Wohnung aufschloss, und folgte ihm nach drinnen.
Samstag hatten sie im Flughafen von Kiew übernachtet und am Sonntagmorgen einen Linienflug der Aeroflot nach Frankfurt erwischt. Für den Nachmittag und frühen Abend waren schon alle Flüge ausgebucht gewesen, und so hatten sie im Flughafen bis spät in die Nacht auf einen Direktflug der Delta Airlines nach Atlanta gewartet, wo noch zwei Plätze in der Economy-Class frei waren, die Lord mit dem von Semjon Paschkow erhaltenen Geld bezahlte.
Obwohl sie es keineswegs für sicher hielten, hatten sie den Goldbarren am Flughafen Kiew in einem Schließfach zurückgelassen, auch Akilina hatte eingesehen, dass es unmöglich war, den Barren durch den Zoll zu bringen.
Beide hatten im Flugzeug geschlafen, doch die Zeitverschiebung machte ihnen zu schaffen und ihre innere Uhr ging immer noch nach. Im Flughafen von Atlanta reservierte Lord zwei Plätze für einen Nachmittagsflug nach San Francisco. Da sie dringend eine Dusche und
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