Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
Mordgelüste
▶ Nichtlesender Partner/Nichtlesende Partnerin
▶ Scheidung
▶ Unzufriedenheit
82 Leseleiden: Dicke Wälzer; von ihnen abgeschreckt sein
Therapie: Das Buch zerteilen
Sollten Sie sich grundsätzlich von ziegelsteinschweren Wälzern entmutigen lassen, werden Sie einige der fesselndsten Leseerfahrungen der Menschheit verpassen ( ▶ Die zehn besten dicken Schinken , siehe folgende Seite). Um Ihre Blockade zu lösen, zerlegen Sie ein solches Buch in lesegerechte Teilstücke. Sollte es ein gebundenes Buch sein, stellen Sie es hochkant hin und schauen Sie von oben auf den Rücken: Sie werden sehen, dass die Seiten in mehrere, zusammengenähte »Buchblöcke« unterteilt sind. Lösen Sie die einzelnen Blöcke heraus. Bei Taschenbüchern sind die Seiten an den Buchrücken geklebt und können auf etwas willkürlichere Art angegangen werden; Sie sollten dann allerdings immer einen Vorrat an Wäscheklammern bei sich haben, um die losen Seiten zusammenzuhalten. Aber plötzlich sind aus dem dicken Schinken ein Dutzend schmaler Traktate geworden, von denen jedes ungefähr den Umfang einer längeren Kurzgeschichte besitzt und überhaupt nicht mehr furchteinflößend ist. Seien Sie übrigens nicht allzu pietätvoll mit den losen Seiten. Sobald Sie sie gelesen haben, werfen Sie sie einfach weg. Uns gefällt die Vorstellung, die Seiten unbekümmert eine nach der anderen aus dem Fenster eines schnell fahrenden Zuges flattern zu lassen. (Obwohl es natürlich unverantwortlich ist, eine solche Vermüllung der Landschaft zu empfehlen.) Wie auch immer Sie es machen: Lassen Sie das Buch beim Lesen schrumpfen und behalten Sie so die Oberhand. Es ist weitaus besser, Vikram Seths Eine gute Partie in körperloser Form im Kopf zu haben als hinter Ihrer Wohnungstür, unversehrt, aber dazu verurteilt, ein Leben als Türstopper zu führen.
83 Die zehn besten dicken Schinken
Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag Jan Faktor
Doktor Faustus Thomas Mann
Der Mann ohne Eigenschaften Robert Musil
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Marcel Proust
Die Enden der Parabel Thomas Pynchon
Eine gute Partie Vikram Seth
Jahrmarkt der Eitelkeit William Thackeray
Krieg und Frieden Lew Tolstoj
Europe Central William Vollmann
Unendlicher Spaß David Foster Wallace
Die Katze aus dem Sack lassen
Tess von d'Urbervilles
Thomas Hardy
Aus medizinisch ungeklärten Gründen (wobei wir natürlich unsere eigene Hypothese verfolgen, siehe unten) fühlt man sich körperlich unwohl, wenn man ein Geheimnis für sich behalten muss, und ist erleichtert, wenn man es schließlich jemandem erzählen kann. Ein Geheimnis zu beichten – die Katze aus dem Sack zu lassen – kann Befreiung bringen und manchmal sogar sadistische Freude bereiten, denn der Ausdruck auf dem Gesicht des anderen im Augenblick der Wahrheit ist unter Umständen äußerst unterhaltsam und befriedigend zugleich ( ▶ Schadenfreude ). Doch sind diese Gefühle in aller Regel von kurzer Dauer, besonders wenn die Katze ihrem Empfänger Leid oder Kummer bereitet, oder Sie nicht das Recht hatten, das Tier freizulassen. Bevor Sie sich also dazu hinreißen lassen, Ihr Geheimnis zu offenbaren, sollten Sie die kurzfristigen Vorteile (für Sie) gegen die langfristigen Konsequenzen (für Sie und andere) gegeneinander abwägen. Denn ist die Katze einmal aus dem Sack, kann sie nicht wieder eingefangen werden, und unter Umständen mag es für alle besser sein, wenn Sie sich mit dem Unbehagen abfinden, das ein wohlgehütetes Geheimnis Ihnen bereitet.
Wenn Tess von d'Urbervilles dem Rat ihrer Mutter gefolgt 84 wäre und sich damit abgefunden hätte, ihre Katze für sich zu behalten, wäre ihre Ehe gerettet und ein glückliches Ende vorherbestimmt gewesen. Doch als Angel Clare ihr in der Hochzeitsnacht eine vormalige Affäre gesteht, berichtet auch sie ihm von ihrer Vergangenheit mit Alec d'Urberville. Verständlicherweise betrachtet sie diesen Augenblick als perfekte Gelegenheit für sie beide, ihr Gewissen zu erleichtern. Doch zu seiner Schande kann Angel Tess nicht vergeben, so wie sie ihm vergibt. Er wendet sich von seiner befleckten Tess ab und verschwindet schmollend nach Brasilien.
Das alles wäre nicht geschehen, wenn Tess die Katze im Sack gelassen und Angel Manns genug gewesen wäre, die Sache so zu sehen, wie sie war – Tess das Opfer, er selbst derjenige, der mit seinem Geständnis den Frieden gestört hat. Vielleicht hätte sie auch
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