Die Rose der Highlands
viele Fragen.«
Isobel lachte. »Ich auch. Ich würde gern wissen, warum Sie solche
kräftigen Muskeln â¦Â« Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Peinlich berührt
fügte sie hastig hinzu: »Das ist mir wirklich nur so rausgerutscht.«
»Die eine Frage beantworte ich noch, bevor ich mich leider für heute
von Ihnen verabschieden muss. Das kommt vom Baumstammwerfen. Ich trainiere das
ganze Jahr für die Caithness Highland Games, weil ich aus einem Dorf bei Wick
stamme, und meine Familie erwartet, dass ich unseren Clan würdig vertrete.«
Isobel verspürte den Impuls, den Doktor auf der Stelle zu umarmen.
Stattdessen nahm sie all ihren Mut zusammen und sagte: »Ich brauche kein
Krankenhaus, Doktor Scott. Mein kleiner Zusammenbruch war nur ein Trick,
Kontakt zu Ihnen aufzunehmen.«
Die eben noch leuchtenden Augen des Doktors funkelten voller Zorn.
»Weshalb?«
»Es geht um meine Stiefschwester.«
»Ich unterliege der Schweigepflicht. Und wenn Sie befugt sind, dass
ich Ihnen Auskunft gebe, melden Sie sich in meinem Büro.«
»Es duldet keinen Aufschub, meine Schwester befindet sich in groÃer
Gefahr.«
»Patienten in unserem Haus werden von kundigem Personal überwacht.«
»Das ist ja genau das, was ich erreichen möchte. Sie muss dringend
hierher!«
»Ja, wenn Sie meinen, Ihre Schwester gehörte nach Muray-House, dann
vereinbaren Sie einen Termin für die Untersuchung.«
Isobel kämpfte mit den Tränen. Nichts mehr an seiner abweisenden
Miene erinnerte an die besorgten Blicke aus seinen graugrünen Augen, mit denen
er sie bis zu ihrem Geständnis angesehen hatte.
»Es tut mir leid, dass ich Sie hintergangen habe, aber es geht um
Leben und Tod!«
»Nun machen Sie es bloà nicht so dramatisch. Es reicht doch, dass
ich einmal darauf reingefallen bin.«
»Doktor Scott, ich habe doch nicht gewusst, was für ein ⦠ach, ich
wusste mir wirklich keinen Rat mehr. Der Mann meiner Schwester ist
wahrscheinlich ein Mörder und hat es auf ihr Leben abgesehen â¦Â«
Doktor Scott rollte mit den Augen. »Genau, und ich bin König George.
Gute Frau, ich denke, es wird das Beste sein, Sie bleiben eine Nacht in unserem
Haus zur Beobachtung. In diesem Zustand kann ich Sie jedenfalls nicht wieder hinauslassen!
Das kann ich nicht verantworten!«
»Aber eine junge Frau, die angeblich ihren Ehemann mit einem Messer
verletzt haben soll, die können Sie in dessen Obhut lassen? Wieviele Fehler
wollen Sie denn noch machen?«, fragte Isobel in scharfem Ton.
»Sprechen Sie von Lady Rose?«
»Wie auch immer. Ich spreche von meiner Stiefschwester Rose Munroy,
deren Ehemann mich um mein Vermögen gebracht hat, dann eine Sechzehnjährige
entführt und geheiratet hat, an deren Geld er jetzt will und der entweder ein
charakterloser Spieler ist oder sogar ein Mörder.«
Doktor Scott schien noch zu schwanken, ob er sie sofort einweisen
sollte oder ob es sich tatsächlich um die zu Recht besorgte groÃe Schwester von
Lady Rose handelte.
»Sie werden verstehen, dass Ihr Gerede ziemlich wirr klingt, Miss
Munroy?« Das klang bereits ein wenig versöhnter als zuvor.
»Ja, ich kann mir gut vorstellen, wie ich auf einen Fachmann wie Sie
wirken muss, aber, wenn Sie mir nur einen kleinen Augenblick schenken, dann â¦Â«,
bat Isobel.
Er nickte seufzend.
Isobel bemühte sich, dem Doktor die ganze Geschichte möglichst
verständlich zu schildern. Er schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf. Als
sie ihre Schilderung beendet hatte, bemerkte er nachdenklich: »Ist Ihnen klar,
dass Ihre Schwester schwere Wahnvorstellungen hat?«
»Ja, aber da haben mit Sicherheit er und seine Komplizin
nachgeholfen! Von wegen Krankenschwester. Das nehmen Sie ihm doch nicht etwa
ab?«
»Für wie dumm halten Sie mich, Miss Munroy?«
Isobel sah ihn verwirrt an. Was sollte sie darauf antworten? Worauf
wollte er hinaus?
»Ich habe über Miss Brannon noch an demselben Tag, an dem ich Ihre
Schwester in der Obhut ihres Ehemannes und seiner Komplizin, wie Sie sie
nennen, zurückgelassen habe, Erkundigungen eingezogen. Sie hat lange in der
berühmten Anstalt Bethlem in London gearbeitet. Und nur deshalb habe ich in
diesem Fall entschieden, sie nicht nach Muray-House zu bringen. Und zwar im
Interesse Ihrer Schwester. Sie glauben doch nicht, sie würde hier je
Weitere Kostenlose Bücher