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Die Rose der Highlands

Die Rose der Highlands

Titel: Die Rose der Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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aus der Wanne zu schöpfen, eine Arbeit, die er offenbar allein zu verrichten entschieden hatte.
    »Warum kümmert es Euch?«, fragte Leitis neugierig, als der Sergeant gegangen war.
    Alec antwortete nicht. Was hätte er ihr sagen sollen? Dass er aufgrund einer Lüge sein Leben lang die Falschen gehasst hatte?
    Er war ein anderer geworden an jenem Tag damals, als seine Mutter starb, hatte sich auf der Rückreise nach London von einem unbeschwerten Jungen zu einem zornigen jungen Mann gewandelt, gewusst, dass die fröhlichen Tage seiner Kindheit zu Ende waren.
    Er schaute zu Leitis hinüber. Sie stand da mit dem Rücken zur Wand, mit Wachsamkeit im Blick und verschränkten Armen. Keine Pose einer verängstigten Geisel.
    Er wollte ihr sagen, dass er nicht das Ungeheuer war, für das sie ihn hielt, dass seine Taten in Inverness einen Grund gehabt hatten. Aber er schwieg, denn Verschwiegenheit erschien ihm sicherer als Enthüllung.
    Eine Stunde verging. Leitis’ Lider wurden schwer, und zweimal wäre sie beinahe umgefallen.
    »Wollt Ihr die ganze Nacht da stehen bleiben?«, fragte er.
    »Ja.«
    Aber schließlich setzte sie sich vorsichtig auf die Bettkante und lehnte sich mit der Schulter an das geschnitzte Kopfteil, das das MacRae-Wappen zierte. Er blieb sitzen, wo er war, die Beine von sich gestreckt, und starrte auf die rußgeschwärzte Feuerstelle, als wäre sie das Tor zu einem geheimen Zimmer, einem Ort, wohin er vor seinen Gedanken fliehen könnte.
    Der Wind strich seufzend um die Ruine, streifte die dicken, mit Luftblasen durchsetzten Fensterscheiben. Es war ein trauervolles Geräusch, eine unheimliche Begleitmusik für die anderen Geräusche der Nacht. Irgendwo knackte ein Balken, brach eine Diele. Ein Backstein fiel, gesellte sich zu seinesgleichen. Es war, als bewege sich das alte Castle langsam um sie herum, als erwache es in der Nacht zum Leben.
    Alec stand auf, und das laute Scharren der Stuhlbeine ließ Leitis hochschrecken. Er nahm das Handtuch ab, warf es in die Richtung der Badewanne und beobachtete, wie Leitis sich straffte und Wachsamkeit in ihre Augen trat. Er zog seine Hose an und verließ das Gemach, ohne jedoch die Tür hinter sich zu schließen.
    Die Nacht umhüllte das alte Gemäuer und die des Daches beraubte, schutzlos den Elementen ausgelieferte ehemalige Versammlungshalle. Der Mond stand als Oval am Himmel. Alec legte den Kopf in den Nacken. Die Sterne schienen ihm zuzublinzeln. Vielleicht wollten sie ihn aufheitern. Oder weinten sie, und jedes Blinken war eine vergossene Träne?
    Die Dunkelheit meinte es gut mit Gilmuir, gaukelte Mauern vor, die durch das Bombardement zerstört worden waren, verlieh den Schatten Lebendigkeit, bis er glauben konnte, nicht das einzige Körperwesen in der Halle zu sein.
    Er war kein Mann, der sich in Phantasien erging oder an Geister glaubte – er befand sich im Moment gedanklich nur mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart. Seine Erinnerung steuerte das Bild seines Großvaters bei, wie er auf seinem throngleichen Stuhl saß und mit einer Leichtigkeit Urteile fällte, die Alec niemals aufgebracht hatte. Allerdings betrafen die Strafen, die der Grundherr verhängte, zumeist kleinere Vergehen und bedeuteten nur selten den Tod eines Mannes.
    Und er sah sich im Gemach seiner Mutter sitzen, die man in ihrem schönsten Kleid aufgebahrt hatte. Es war aus blauem Leinen, und sie sah darin wie eine Prinzessin aus. Auf ihrer Brust stand ein Holzteller, auf den seine Großmutter vorsichtig ein Häufchen Erde und eines aus Salz schüttete. Sämtliche spiegelnden Gegenstände waren aus Gilmuir entfernt worden, die Waffen und Schilde in der Halle mit dem MacRae-Plaid verhüllt.
    Der Clan trauerte, und der Wind verwandelte sich in die Klagen der Frauen. Es schien, als sammelten sie sich um ihn wie vergrämte Geister, die durchscheinenden Hände ausgestreckt, als wollten sie ihm Trost spenden in seiner selbstauferlegten Totenwache.
    Die fünf Dudelsackpfeifer des MacRae-Clans stellten sich in einer Reihe auf, um der Tochter des Lairds die letzte Ehre zu erweisen. Sie spielten das MacRae-Klagelied, eine unglaublich traurige Melodie. An jenem heraufdämmernden Tag hatte er den Klang der Dudelsäcke gehasst. Er hatte von da an
alles
an Schottland gehasst, die Wildheit, die Barbarei, die Grausamkeit.
    Ein Schleier schob sich vor die Sterne, keine Seltenheit in Gilmuir. Plötzlich wirbelte ihm der MacRae-Marsch um die Ohren, eine himmlische Folge schriller Töne, eine

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