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Die Rose der Highlands

Die Rose der Highlands

Titel: Die Rose der Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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Angst, verborgen, aber sichtbar für jemanden, der sich die Mühe machte, tief genug hineinzuschauen?
    Er wollte mit ihr sprechen, aber was könnte er ihr sagen? Beruhigende Worte wären nur
Worte
 – er konnte ihr keine Sicherheit versprechen, nicht einmal sagen, was der morgige Tag bringen würde. Trost würde sie von ihm nicht annehmen, und ihr seine Gesellschaft anzubieten, war ein Gedanke, dessen Doppeldeutigkeit ihn lächeln machte.
    Es bestürzte ihn, wie sie da an einem der Fenster stand und auf den See schaute. Sie wirkte so einsam, so unendlich traurig.
    Er wollte die Hand auf ihre Schulter legen, sie berühren. Stattdessen blieb er regungslos, allein mit den Schatten und seinen Gedanken.
    Seit er schottischen Boden betreten hatte, war es ihm zunehmend schwergefallen, die Sommer seiner Kindheit und die Menschen, die er geliebt und bewundert hatte, wegzuschließen. Aber seine Ankunft in Gilmuir hatte alle Schlösser aufgebrochen und ihn mit Erinnerungen förmlich überschwemmt.
    Du bist gar kein so schlechter Schwimmer für einen englischen Jungen.
    Komm, Ian! Wir besiegen Fergus und James zusammen!
    Ich hasse Fergus! Wirklich!
Als sie ihm das eines Tages gestand, hatte ihre tränenerstickte Stimme ein ganz komisches Gefühl in seinem Bauch verursacht. Er wusste nicht mehr, worum es bei dem Streit mit ihrem Bruder gegangen war, doch sie hatten sich schon bald darauf wieder versöhnt.
    Leitis, sagte er in Gedanken, und einen Moment schien es, als hätte sie es gehört, denn sie kam auf ihn zu. Doch dann blieb sie stehen, bückte sich und hob einen glitzernden Stein auf, betrachtete ihn und legte ihn dann sanft, fast ehrerbietig, auf den Boden zurück.
    Langsam ging sie zu dem Rundbogenfenster, das Alec am nächsten war, stellte sich unter den Scheitel, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, als genieße sie den Wind, der das Gewitter vertrieben hatte. In diesem Augenblick gemahnte sie ihn an eine Galionsfigur, hoch aufgerichtet und stolz, mit fließenden, rotbraunen Locken.
    Plötzlich nahm er eine Bewegung wahr und schaute nach oben. Mörtelstaub rieselte vom Bogenabschluss herab, und gleich darauf löste sich ein Stück vom Schlussstein.
    Alec packte Leitis, riss sie weg und stieß sie gegen die Westmauer. Sie kreuzte instinktiv die Arme über dem Kopf, und er schützte ihren Rücken, während der Fensterbogen in sich zusammenstürzte.
    Der Boden unter ihnen bebte. Als eine Staubwolke hochwirbelte, beugte Alec sich vor, bis sein Gesicht dem von Leitis so nahe war, dass sich sein Atem mit ihrem mischte. Das Rumpeln in die Tiefe stürzender Backsteine klang, als begehre das Bauwerk grollend gegen seine Zerstörung auf.
    Als endlich Ruhe eintrat, schaute Alec über seine Schulter und sah, dass drei der Säulen, auf denen die Bögen ruhten, in sich zusammengefallen waren. Das Priorat hatte jahrhundertelang der Witterung getrotzt, doch das Bombardement war zu viel für das Gebäude gewesen.
    Leitis richtete sich langsam auf, und Alec gab sich den Befehl, die Hände wegzunehmen, mit denen er sich zu ihrer Rechten und Linken an der Mauer abstützte, und dann zurückzutreten. Doch auch als ihr Körper seinen nicht mehr berührte, spürte er ihn noch. Als sie sich zu ihm umdrehte, standen sie so dicht voreinander, dass er sie atmen hörte.
    Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen.
    Dann war es vorüber. Er umfasste ihre Schultern. »Seid Ihr unverletzt?«
    »Ja«, hauchte sie.
    »Miss?«, rief Donald ängstlich.
    Sie trat an Alec vorbei aus den Schatten in das fahle Mondlicht hinaus. »Es geht mir gut, Donald«, rief sie zurück.
    Ihr Blick glitt zu der Unglücksstelle. Wo sie eben noch gestanden hatte, lag jetzt ein Haufen Backsteine. »Ich könnte tot sein«, flüsterte sie. Dann drehte sie sich zu Alec um. »Wer seid Ihr?«
    Er musste lächeln, denn sie hatte ihm die schwierigste aller Fragen gestellt.
     
    Dort, wo er stand, war es so dunkel, dass sie ihn nur als Schatten wahrnahm. Doch sie spürte noch seinen Körper, der sie an die Mauer gedrückt hatte. Der Mann hatte so schnell gehandelt, dass sie gar keine Zeit gehabt hatte, sich zu fürchten. Auch jetzt war sie eher überrascht als ängstlich.
    Sie hatte das Gefühl, ihn zu kennen, und es war so stark, dass ihr das Herz plötzlich bis zum Hals schlug.
    »Marcus? Bist du es?« Atemlos wartete sie auf seine Antwort.
    »Nein. Ich bin nicht er, Leitis«, sagte Alec nach einer langen Pause auf Gälisch.
    »Woher wisst Ihr meinen

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