Die Rose der Highlands
Bucht lag, löschte sie jedoch wieder, als er die Öffnung im Felsenriff sah. Dass er sie gleich entdeckt hatte, war, so hoffte er, ein gutes Omen für den Verlauf seines nächtlichen Vorhabens.
Er ruderte in die kleine Bucht hinein, ging an Land, zog das Skiff auf das felsige Ufer, band das zweite Ruderboot los und vertäute es sorgfältig. Es war ratsam, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten, einschließlich eines eiligen Weggangs von Fort William.
Kiesel knirschten unter seinen Stiefeln, als er auf die Steilwand des Felsens von Gilmuir zusteuerte. Er glaubte schon, sein Gedächtnis lasse ihn im Stich, weil er den Eingang zu seinem Ziel nicht finden konnte – bis er begriff, dass er ihn aus der Perspektive eines Elfjährigen suchen müsste. Also bückte er sich und fand ihn dann auch sofort. Er zog den Kopf ein, ging durch die kleine Öffnung. In dem Gewölbe konnte er ohne Schwierigkeiten aufrecht stehen. Wieder zündete er die Laterne an.
Als Junge hatten ihn die Farben der Wandmalereien und die geheime Lage der Höhle gefesselt, doch jetzt als Mann erkannte er die Liebe des Künstlers zu seinem Modell. Sie sprach so deutlich aus den Porträts, dass Alec sich wie ein Störenfried vorkam.
Er stellte die brennende Laterne neben die unterste Treppenstufe und machte sich an den langen Aufstieg zum alten Priorat. Das Gefühl der Gefahr, gepaart mit dem starken Modergeruch, erinnerte ihn an das Abenteuer in seiner Kindheit.
Er stemmte die beiden Schieferplatten hoch, die den Schacht oben bedeckten, zog sich hinauf und glitt wie ein Schatten in die Dunkelheit.
»Ihr versprecht, in Sichtweite zu bleiben, Miss?«, fragte Donald hörbar ängstlich. »Und Ihr werdet nicht versuchen zu fliehen?«
Leitis nickte lächelnd, ging hinaus in die Versammlungshalle und atmete wie erlöst die leicht staubige Luft ein.
Sie hatten Donalds Spiel mit einer solchen Begeisterung gespielt, dass darüber die Nacht hereingebrochen war. Leitis war vom Glück begünstigt gewesen und hatte zu guter Letzt gewonnen.
Wenn sie zu ihrer Rechten um die Ecke spähte, konnte sie einen grasbewachsenen Streifen des Tales sehen und dahinter den beginnenden Wald. Bei Dunkelheit erschienen die Bäume, die sich als schwarze Silhouetten gegen den Himmel abhoben, viel höher.
Sie schaute über ihre Schulter. Donald war ein Stück hinter ihr stehen geblieben, als wolle er sie nicht stören.
Der kühle Dunst auf ihrem Gesicht, der böige Wind und der süße Geruch von Regen, all das waren Vorboten des herannahenden Gewitters.
Der Donner erschien ihr hier lauter als im Dorf, der Blitz heller und der Wind stärker. Vielleicht lag es daran, dass Gilmuir auf einem Felsvorsprung stand und Unwettern ungeschützt ausgeliefert war.
Sie legte den Kopf in den Nacken und hob das Gesicht dem Gewitter entgegen. In ihren Gedanken lief sie als Kind mit ihren Brüdern durch das grüne Tal und verlachte Blitz und Donner.
Und da war noch ein anderer Junge gewesen. Ian. Es war immer eine herrlich aufregende Zeit, wenn er zu Besuch kam, und sie hatte seine Ankunft in jedem Jahr ungeduldig erwartet.
Wenn das Heidekraut blühte, wusste sie, dass es nun nur noch wenige Tage dauern würde, bis er und seine Mutter mit der feinen Kutsche angefahren kamen und sie wieder nach Gilmuir eingeladen würde, um ihm den Sommer über Gesellschaft zu leisten.
Wieder schaute sie über ihre Schulter. Donald stand nicht mehr, wo er gestanden hatte. Stattdessen sah sie durch die offene Tür des Zimmers des alten Lairds seinen Schatten an der Wand. Dankbar für sein Verständnis und seine Freundlichkeit, spürte sie sich lächeln.
Du lachst hübscher als alle Mädchen, die ich kenne.
Ians Worte, ein Geständnis, gemacht in jenem letzten Sommer. Merkwürdig, wie die Erinnerung sie schmerzte. Vielleicht lag es an der Erkenntnis, dass er ihr Feind wäre, wenn sie ihn heute wiedersähe. Doch als der Krieg ausbrach, hatte sie für einen Engländer gebetet, dafür, dass er nichts damit zu tun hätte.
Alec beobachtete aus seinem Versteck, wie Leitis durch das alte Kloster wanderte. Das Unwetter zog unverrichteter Dinge ab, ließ nur den Wind zurück, der um die Ecken seufzte, und den Geruch von Regen in der Luft. Der Mond erschien und tauchte die Szenerie in fahles Licht.
Leitis ging mit verschränkten Armen langsam auf eines der Rundbogenfenster zu. Sie wirkte nachdenklich. So hatte er sie noch nie gesehen. Was mochten ihre Augen ausdrücken? Traurigkeit oder Zorn? Oder
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