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Die Rose der Highlands

Die Rose der Highlands

Titel: Die Rose der Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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und beugte sich dann vor, um die Schmerzen in ihrem Rücken zu lindern. Sie hatte heute zu lange gearbeitet, aber so war die Zeit am schnellsten vergangen. Sich mit dem verzwickten Muster zu beschäftigen, hatte sie sowohl von ihrer Verwirrung als auch von ihrem Verlangen abgelenkt.
    Sie verließ das Gemach und flüchtete sich ein weiteres Mal ins Priorat.
    Eine sanfte Brise wehte vom See herein und zupfte an ihren Röcken, ließ sie um ihre Knöchel tanzen. Leitis lauschte angestrengt, doch alles, was sie hörte, war ein Vogel, in dessen Ruf die Sehnsucht widerklang, von der ihr Herz überquoll.
    Rebellion war etwas Berauschendes, doch sie wünschte sich den Raben nicht nur aus diesem Grunde her. Sie wollte mit ihm reden, über kleine Gedanken und große Träume, mit ihm über Unsinnigkeiten lachen. Doch mehr als alles andere wollte sie empfinden, was sie in der vergangenen Nacht empfunden hatte, diese seltsam unbefangene Kameradschaft, als kenne sie ihn in- und auswendig. Und, gestand sie sich der Ehrlichkeit halber ein, da war auch noch ein anderer Grund: Sie wollte diese Erregung wieder verspüren, die sie erfüllte, wenn sie mit ihm zusammen war.
    Leitis kehrte in das inzwischen dämmrige Gemach zurück, zündete eine Kerze an, ging zum Fenster und horchte zum Fort hinüber. Hörten die Soldaten nie auf zu marschieren? Früher war es, wenn der Abend kam, still geworden auf Gilmuir. In den Dunst gehüllt, der vom See hochstieg, wurde das Castle zu einem verzauberten Ort, einem Ort der Heiterkeit und Sicherheit. Vorbei.
    Sie schob die traurigen Gedanken weg und erinnerte sich stattdessen an die letzte Nacht, als Lachen und Furcht einander abwechselten. Und an die Küsse des Raben. Beim ersten Mal hatte er seine lächelnden Lippen nur kurz auf ihre gepresst. Später hatte er ihr in einer rührend-zärtlichen Geste Heidekraut geschenkt.
    Wieder fiel ihr auf, wie vertraut er ihr erschien, als kenne sie ihn schon seit langer Zeit.
    Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Ruhelos begann sie auf und ab zu gehen, während sie sich ins Gedächtnis rief, was der Rabe ihr verraten hatte.
    Er hatte den alten Grundherrn gekannt, er kannte die verborgene Treppe und die Geschichte von Ionis, Geheimnisse, von denen er als Enkel des Grundherrn Kenntnis erlangt haben könnte. Das Clan-Abzeichen, das er ihr gezeigt hatte, schien aus Gold gemacht zu sein, und das war nicht üblich. Aber als Enkel des Lairds hatte er es vielleicht als Geschenk erhalten.
    Konnte er der Junge aus ihrer Kinderzeit sein? Ian MacRae mit dem englischen Vater und der schottischen Mutter, der Gilmuir vor langer Zeit verlassen hatte und niemals wiedergekehrt war?
    War es möglich? Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken.
    Wenn er es wäre, hätte sie ihn doch bestimmt erkannt? Oder nicht?
    Sie rief sich die Totenwache für seine Mutter ins Gedächtnis, sah deutlich seine Augen vor sich. Sie waren voller Schmerz gewesen. Und voller Zorn. Sie entsann sich daran wie an ihren eigenen Schmerz, als er ihr Geschenk mit seinem Stiefel zertrat.
    Er hatte sie als Kind gekannt. Das hatte er ihr enthüllt, als er ihr das Tuch um die Haare band und davon sprach, wie leuchtend rot sie damals gewesen waren.
    War er Ian?
    Leitis erinnerte sich an das Lachen des Jungen, daran, wie er und ihre Brüder sie geneckt hatten, und an die Aufmerksamkeit, mit der er ihr zugehört hatte und die ihr das Gefühl gab, ihm alles erzählen zu können. Und seine Erscheinung? Ein hübscher Junge mit dunklem Haar und braunen Augen, die ständig vor Glück zu strahlen schienen. Aber er war ein Kind gewesen, als sie ihn das letzte Mal sah.
    War er es? Wenn er es war – warum hatte er sich ihr nicht zu erkennen gegeben? Warum verbarg er sein Gesicht hinter einer Maske und behauptete, er tue es zu ihrem Schutz?
    Als es klopfte, schrak sie hoch. Wahrscheinlich war es Donald, der fragen wollte, ob sie etwas brauche. Sie ging zur Tür und öffnete sie.
    Vor ihr stand der Mann, mit dem sie sich gerade in Gedanken beschäftigt hatte. Im Kerzenschein wirkte er noch geheimnisvoller in seiner schwarzen Verkleidung. Wieder fiel ihr auf, wie der Schwung seiner Lippen und sein energisches Kinn durch die Maske betont wurden.
    »Ihr hättet nicht herkommen sollen«, sagte sie erschrocken. »Es ist zu gefährlich. Donald kann jeden Moment kommen.«
    »Schon wieder wollt Ihr mich beschützen.« Lächelnd trat er ein und schloss die Tür hinter sich.
    »Jemand
muss
Euch beschützen«, erwiderte sie. »Ihr geht törichte

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