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Die Rose der Highlands

Die Rose der Highlands

Titel: Die Rose der Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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Loch im Rahmen geschlagen werden. Das Garn wurde um die Zapfen herumgewickelt und dann gestrafft, bis die Fäden gespannt waren, wobei die Kettfäden die Grundlage für das Muster bildeten.
    Wenn sie etwas Einfaches wie eine Decke aus nur einer Farbe weben würde, ginge die Arbeit schnell voran, denn dann müsste sie nicht auf verschiedenfarbige Fäden achten. Doch der MacRae-Tartan war ein kompliziertes Muster, und die ersten Reihen waren verzwickt.
    Weben war stets ein Quell der Freude für sie gewesen, eine Möglichkeit, etwas Schönes aus Garnen zu erschaffen. Sie fragte sich, ob Gott wohl auch so empfand, wenn er eine von ihm erschaffene Blume sah.
    Sobald ihre Finger sich an die Führung der Fäden gewöhnt hatten, konnte sie sich in Gedanken verlieren. Es war ihre Art gewesen, als Kind dem Lärm in ihrem Elternhaus zu entfliehen und als Frau, ihren Gram zu bewältigen. In ihrer Bewegungsfreiheit auf das Zimmer des Colonels beschränkt, sah sie in dem Webstuhl eine Möglichkeit, die Zeit schneller verstreichen zu lassen.
    Stiefelschritte auf dem Holzboden hinter ihr zeigten das Eintreffen des Schlächters an. Obwohl sich alles in ihrem Innern verkrampfte, fuhr sie fort zu weben und machte sich vor, dass er nicht da wäre. Doch er ließ es nicht lange zu, trat zu ihr und blieb stehen, bis sie zu ihm aufschaute.
    Schweigend sahen sie einander an. Er war nur wenige Tage fort gewesen, und in dieser Zeit war sie zur Rebellin geworden.
    Sein Blick fiel auf den offenen Korb. »Sieh an – die Farben des MacRae-Plaids. Wollt Ihr Euch als Aufrührerin betätigen, Leitis, und es vor meinen Augen weben?«
    Eine Mischung aus Erschrecken und Mutwillen stieg in ihr auf. »Was würdet Ihr tun, wenn Ihr entdecktet, dass ich mich bereits schuldig gemacht hätte?«, fragte sie herausfordernd.
    Er ließ seine Finger langsam an den ersten gewebten Reihen entlanggleiten und antwortete mit einer Gegenfrage: »Wusstet Ihr, dass die Schotten einen Eid ablegen mussten, in dem sie schworen, treue Untertanen zu sein? Kennt Ihr den Wortlaut?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »›Ich schwöre, so wahr ich am Tag des Jüngsten Gerichts vor Gott erscheinen werde, kein Gewehr, kein Schwert, keine Pistole oder sonstige Waffe in meinem Besitz zu haben, weder jetzt noch in Zukunft, und niemals einen Tartan-Überwurf oder einen anderen Teil der Highlandkleidung zu tragen. Ich verspreche, keine Waffe gegen die Engländer zu erheben oder gegen dieselben aufzubegehren. Falls ich es doch tue, mögen meine Unternehmungen, meine Familie und mein Besitz verflucht sein.‹«
    »Ihr kennt ihn gut.«
    »Ich habe ihn oft genug gehört.«
    Was sollte sie zu dieser Enthüllung sagen? Oder zu der Tatsache, dass er den Eid ohne die Spur eines Gefühls aufgesagt hatte?
    Als er sie wieder ansah, lag ein Schleier über seinen Augen, als wolle er wieder mehr Geheimnis als Mann sein. Vielleicht war der Schleier aber auch seinerseits eine Enthüllung: Vielleicht war der Colonel den Krieg ebenso müde wie sie die Unterwerfung.
    »Ich bin gekommen, um zu sehen, wie es Euch geht«, sagte er leise.
    »Es geht mir gut.« Zwei Menschen tauschten über einen Abgrund der Feindseligkeit hinweg Höflichkeiten aus.
    Seine Nähe verursachte ihr Unbehagen, und so stand sie auf, ging zum Tisch und strich, scheinbar gefesselt von der Maserung des Holzes, mit den Fingerspitzen über die Platte. Das fiel ihr leichter, als ihn anzuschauen, wie er da stand, so groß und gutaussehend in seiner Uniform. Das Scharlachrot seines Rockes unterstrich die Sonnenbräune seines Gesichts, seine Manschetten waren blütenweiß, die Stiefel spiegelblank. Sogar das schwarze Leder seiner Handschuhe glänzte geölt.
    Merkwürdig, diese Handschuhe. Sie erinnerte sich nicht, dass er sie bei seiner Ankunft in Gilmuir getragen hätte, und nun trug er sie ständig. Ebenfalls merkwürdig, ihre Neugierde, was ihn betraf.
    Er trat neben sie. »Habt Ihr alles, was Ihr braucht?«
    »Ja, danke.« Sie wünschte, er würde den Raum verlassen.
    Stattdessen streckte er die Hand aus und fuhr mit einer behandschuhten Fingerspitze über ihre Wange. Sie schlug die Augen nieder. Das Atmen wurde ihr schwer.
Bitte, geht weg.
    Stattdessen kam er noch näher.
    Er hatte sie seit jener Nacht nicht angerührt. Doch jetzt tat er es, und die Berührung war so zart wie die von Schmetterlingsflügeln. Er neigte den Kopf und hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er sie zu sich

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