Die Rose der Highlands
habe den Beweis, dass er den Proviant außerdem an die Schotten verteilt hat.«
»Eine furchterregend aufrührerische Tat«, meinte Alec trocken und lächelte sein Gegenüber an, um seinem Sarkasmus die Spitze zu nehmen. »Ihr wart höchst aufmerksam, Armstrong.«
»Danke, Sir.« Der Lieutenant war sichtlich erfreut. »Ich möchte mich freiwillig zu der Patrouille melden, die zu seiner Ergreifung ausrücken wird.«
»Wenn es ihn tatsächlich gibt, er kein Scherz der Schotten ist, werde ich ihn festnehmen, Lieutenant – aber wann ich es für richtig halte. Und auf meine Weise.«
Armstrong besaß genügend Vernunft, um beschämt den Kopf zu senken.
»Es gibt andere Pflichten, die ebenso wichtig sind«, fuhr Alec fort. »Vielleicht noch wichtiger, als Euren geheimnisvollen Raben gefangen zu nehmen. Ich habe noch niemandem die Verantwortung für die Versorgung übertragen, Lieutenant. Ich denke, Ihr seid genau der richtige Mann für diesen Posten.«
»Die Versorgung, Sir?« Armstrong klang, als sei er am Ersticken.
»Geht zu Lieutenant Castleton«, befahl Alec ihm. »Er wird Euch einweisen.«
Armstrong schwieg. Klug von ihm, dachte Alec. In diesem Alter trug man seine Gedanken auf der Zunge, und wenn man, wie dieser Bursche, die Absicht hatte, es beim Militär zu etwas zu bringen, tat man gut daran, den einen oder anderen hinunterzuschlucken.
Der Lieutenant salutierte, vollführte eine tadellose Wendung und ging so heftigen Schrittes den Flur hinunter, dass seine Stiefelabsätze beinahe Funken auf dem Steinboden schlugen.
»Ein zorniger junger Mann – und ein gefährlicher.«
Alec drehte sich um und sah Harrison kommen.
»Ich beabsichtige, ihn voll zu beschäftigen«, sagte Alec. »Dann hat er keine Zeit mehr zum Beobachten.«
Leitis schlief trotz ihrer Erschöpfung unruhig. Ihre Träume waren beängstigend, aber derartig wirr, dass sie sich keinen Reim darauf machen konnte. Als sie erwachte, fühlte sie sich, als hätte sie kein Auge zugetan. Sie stand auf, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, machte das Handtuch nass und legte es sich auf die Augen, damit sie abschwollen. Seltsamerweise war ihr zum Weinen zumute.
Bei ihrer Rückkehr war sie zu müde gewesen, um mehr zu tun, als ihr Kleid an den Haken zu hängen. Sie nahm es herunter, betrachtete es voller Abscheu und entdeckte das Halstuch. Sie zog es heraus, drückte es an ihre Wange und staunte, wie weich es war. Es weckte Erinnerungen an die letzte Nacht, als sie Komplizin eines Räubers gewesen war. Als sie im Mondlicht geküsst worden war, dass es ihr den Atem raubte.
Sie säuberte das Kleid, so gut sie konnte, und wünschte, sie hätte etwas anderes anzuziehen. Irgendetwas.
Nachdem sie notgedrungen hineingeschlüpft war, spähte sie zur Tür hinaus. Gottlob hatte Donald, als sie zurückgekommen war, nicht Wache gestanden, und heute früh war er auch noch nicht erschienen. In den Ecken der Versammlungshalle hockten Schatten, als wäre die Nacht ein Gast, der nicht wusste, wann es Zeit war zu gehen.
Leitis ließ die Tür offen, um die Morgenbrise zu genießen. Die nächsten Minuten verbrachte sie mit hausfraulichen Tätigkeiten, strich die Bettlaken glatt, staubte die Kommode ab und rückte die Dinge auf dem Tisch zurecht. Dann wandte sie sich dem Korb mit den Garnen zu.
Sie hob den Deckel und nahm die ersten Knäuel heraus. Es brauchte seine Zeit, Wolle zu spinnen und zu färben. Als sie und ihre Mutter zusammengearbeitet hatten, begann eine von ihnen den nächsten Schub Wolle vorzubereiten, sobald die ersten Garnfäden gedreht waren. In dem Korb befand sich genug Garn für mehrere Kleidungsstücke oder eine Decke.
Die Vielfalt der Farben versetzte Leitis in Staunen und nötigte ihr Bewunderung für die Geschicklichkeit der Frau ab, der sie zu verdanken war. Da gab es ein blasses Blau wie das des Heidekrauts, wenn es zu blühen begann. Und ein Rosa, so zart, dass es den Wangen eines Säuglings glich. Weiter unten im Korb entdeckte sie auch noch andere Farben, von denen ein paar sie besonders fesselten: Rot, Schwarz und Weiß – die Farben des MacRae-Tartans.
Es war, als liege das Muster vor ihr, als bedürfe es nur ihrer Finger, um es Wirklichkeit werden zu lassen. Sie nahm die Garne mit zum Webstuhl und setzte sich auf die Bank. Er war abgenutzt und nicht so hübsch, wie der ihrer Mutter es gewesen war, doch jemand hatte ihn offenbar geliebt, denn er war sorgfältig gepflegt. Nur einer der Holzzapfen müsste wieder fest in sein
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