Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
Priester trotzte. Mathews Hände zitterten vor Ungeduld. Egal wie – er mußte herausfinden, wie er diesen Gegenstand benutzen konnte. In aller Eile suchte er nach Wegen, die keinen Verdacht erregen konnten, um sich diese Informationen zu beschaffen. Im letzten Augenblick fiel ihm ein, daß ein Sklavenmädchen eine solche Aufgabe nur widerstrebend annähme.
»Ich… verstehe nicht, Effendi«, stammelte Mathew. »Bestimmt gibt es andere, die es eher wert… die… vertrauenswürdiger sind.«
»Ich traue dir nicht im geringsten, schöne Blüte. Ich übergebe dir diesen Gegenstand, weil du an einen reichen und bedeutenden Mann verkauft werden wirst, der dadurch für mich leicht zu finden sein wird.«
»Aber was ist, wenn ich das wertvolle Stück verliere oder irgend etwas damit passiert…«
»Dann wirst du eines grauenvollen Todes sterben«, gab ihm die kalte Stimme des Händlers zur Antwort. »Der Gegenstand wirkt je nach Lage der Dinge entweder als Segen oder als Fluch, jedenfalls kann er nicht zufällig verlorengehen oder verlegt werden.« Die Hand in Mathews Nacken verstärkte plötzlich den Griff und zwirbelte dabei den Stoff so, daß ihm die Luft wegblieb.
»Jeder, der so etwas beabsichtigt, wird den allergrausamsten Tod sterben, den mein Gott sich ausdenken kann. Und glaube mir, meine Blüte, seine Begabung in dieser Hinsicht war schon immer beeindruckend.«
Es gab keinen Grund, daran zu zweifeln. Entsetzt starrte das Sklavenmädchen Mathew an. Im nächsten Augenblick löste sich die Hand aus seinen Gewändern und glitt durch die Vorhänge zurück in die Sänfte. Mathew rang nach Luft. Noch einmal öffneten sich die Vorhänge, als der Händler nach draußen langte, Mathews Hand packte und etwas hineinlegte.
Mathew war verwirrt.
Er hielt eine Glaskugel in der Hand. Sie war klein genug, um bequem in seiner Hand zu liegen. Oben und unten war die Kugel mit filigranen Gold- und Silberverzierungen geschmückt. Sie war mit Wasser gefüllt, und in ihrem Inneren schwammen zwei Fische. Der eine war samtschwarz mit langen Flossen und einem Fächerschwanz; der andere war goldfarben, hatte einen flachen Körper und große, starrende Augen.
Er hatte ein Fischglas erhalten!
»Ich… was…« Mathew konnte nicht zusammenhängend sprechen.
»Sei jetzt still, Blüte, und hör mir zu. Wir haben nicht viel Zeit. Du mußt die Kugel so verborgen halten, daß keiner sie sehen kann. Sie wird dir dabei helfen, weil ihr nichts mehr zuwider ist, als für irgend jemanden sichtbar zu sein. Du brauchst die Fische nicht zu füttern oder dich sonstwie um sie zu kümmern. Sie können für sich selbst sorgen. Trage die Kugel immer direkt am Körper, egal, ob du schläfst oder wach bist. Sprich mit niemandem darüber. Und hör auf zu zittern, liebliche Blüte. Du wirst die Kugel höchstens ein paar Tage in deiner Obhut haben. Dann werde ich kommen, um dich von dieser Bürde zu befreien. Wenn du mir in dieser Angelegenheit gute Dienste leistest, wirst du auch eine Belohnung erhalten.« Die schmale Hand streichelte Mathew über die glatte Wange.
»Wenn du mich betrügst…«
Der Vorhang raschelte. Im Sonnenlicht bemerkte Mathew ein kurzes, metallisches Blitzen und hörte das entsetzte Röcheln des Sklavenmädchens. Er sah, wie ihre Augen sich vor Schmerzen weiteten und alles Leben aus ihr wich. Das Mädchen stürzte vor seinen Füßen zu Boden. Auf ihren Gewändern vergrößerte sich zusehends ein großer, roter Fleck. Des Händlers schlanke Hand hielt einen schmalen Silberdolch umfaßt, der vor Blut triefte.
Mathew schreckte vor Entsetzen zurück. Aber der Händler packte sein Handgelenk und hielt ihn fest. »Jetzt gibt es außer uns beiden keinen Mitwisser mehr, schöne Blüte. Kehre nun schnell zu deinem Kamel zurück.« Die Stimme war sanft und leise. »Vergiß meinen Zorn nicht, den du ja nun kennengelernt hast.«
Die Hand löste den Griff und verschwand hinter den Vorhängen. Benommen steckte Mathew die Glaskugel in seinen Ausschnitt. Auf seiner heißen Haut fühlte sich das Glas so kühl an, als wäre es aus Eis. Unwillkürlich schüttelte er sich. Er hätte weder sagen können, wo er eigentlich war, noch was er tat. Mathew wandte sich um und stolperte blindlings über den harten, ausgedörrten Boden. Instinktiv fand er den Weg zu seinem Kamel zurück.
Die Karawanengesellschaft bereitete sich darauf vor, die Reise fortzusetzen. Sklaven entfernten die Fesseln von den Knien der Kamele und setzten sie mit aufmunternden Zurufen
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