Die Rose des Propheten 2 - Das Buch Quar
muß!«
»Fliehen! Pah!« Zohras Augen funkelten. Sie sah ihn verächtlich an. »Du kannst ja hierbleiben, wenn du willst, du Feigling! In deinen Frauenkleidern wird dir nichts geschehen. Doch Khardan wird im Kampf sterben, genau wie ich!«
»Dann bricht die Finsternis über dich und deinen Stamm herein!« schrie Mathew sie an.
Zohra, die schon wieder aus dem Zelt kroch, hielt inne. Um das Zelt herum donnerten die Hufe der Pferde, und die Schreie der Frauen und Kinder hallten schrill in ihren Ohren wider.
»Denk an die Vision, Zohra!« ermahnte er sie eindringlich. »Denk an den mit Wunden übersäten Falken, an die hereinbrechende Finsternis oder an den anderen Falken, der mit verschmutzten Flügeln im Licht der Sonne weiterkämpft!«
Zohra starrte Mathew an, doch an dem Ausdruck ihres fahlen Gesichts erkannte er, daß sie ihn nicht wirklich wahrnahm. Vor ihrem inneren Auge erstand noch einmal die Vision. Der Dolch entfiel ihren kraftlosen Fingern. Die Hand, an der noch das Blut des Soldaten klebte, preßte sich an ihr Herz.
»Darum kann ich ihn nicht bitten! Er würde mich für immer verachten!«
»Wir werden nicht darum bitten«, sagte Mathew grimmig und ergriff auf der Suche nach irgendeiner Waffe entschlossen einen Eisentopf.
In seiner Angst bemerkte er nicht einmal die unheilvolle Stille, die sich inzwischen über das Lager gesenkt hatte und die es ihnen nun ermöglichte, in gewohnter Lautstärke miteinander zu sprechen.
»Aber wie sollen wir ihn nur finden?«
»Deine Leute werden doch sicher zurückkehren, sobald sie merken, was hier vor sich geht?«
»Natürlich!« antwortete Zohra aufgebracht. »Sie werden sofort umkehren, und Zeid ebenso! Gemeinsam werden sie die dreckigen Söhne Quars besiegen!«
»Nicht, wenn der Traum in Erfüllung geht. Es wird etwas geschehen, das sie entzweit. Aber du hast recht. Wenn es in seiner Macht steht, wird Khardan ins Lager zurückkehren. Los, komm!«
Vorsichtig schlüpfte er aus dem Zelt. Zohra kroch hinter ihm her. Doch dann erstarrten sie mit vor Schreck geweiteten Augen. Die Schlacht war vorüber und das Lager vollständig verwüstet. Zelte lagen auf dem Boden wie tote Vögel, die Planen vom Sturm, von Säbelhieben und Pferdehufen zerrissen und zerfetzt. Sämtliches Vieh war unbarmherzig abgeschlachtet worden. Wasserschläuche lagen aufgeschlitzt umher, ihr kostbarer Inhalt versickerte im Wüstensand. Offensichtlich gab es nichts mehr, das nicht zerbrochen, zerschlagen oder in Fetzen gerissen war.
Die wenigen, die den Kampf aufgenommen hatten, waren schließlich bezwungen worden. Die Soldaten trugen sie als willkommene Beute in die weit ausgebreiteten Arme des Ifrits, dessen riesenhafter Körper den Himmel in Dunkelheit hüllte. Jetzt, da die Gefangenen in sicheren Gewahrsam genommen worden waren, erhob sich der Sturmwind aufs neue.
Am Rande des Lagers, durch den aufgewirbelten Sand kaum zu sehen, entdeckte Mathew eine Spur von… rosaroter Seide. Als er angestrengt in diese Richtung schaute, bot sich ihm ein merkwürdiger Anblick: Eine Frau mit goldenem Haar, deren Schleier vom Kopf geweht war, sprach mit einem berittenen Soldaten. Eindringlich, und wie es schien, auch ärgerlich, redete sie auf ihn ein, denn sie stampfte mit dem Fuß auf und wies immer wieder nach Süden.
Meryem! Wie seltsam, dachte Mathew. Was wollte sie noch hier? Warum hatte sie nicht versucht zu fliehen? Er wandte den Blick in die Richtung, in die sie gezeigt hatte, und holte tief Luft.
»Sieh nur!« rief er und spähte mit sandverklebten Augen durch die aufkommende Dunkelheit. »Da sind sie! Da ist Khardan! Ich kann seinen Rappen erkennen! Schnell, beeil dich! Sonst kommen wir zu spät!«
Er wollte gerade loslaufen, als ihn jemand am Arm zurückhielt. Scharfe Nägel gruben sich schmerzhaft in sein Fleisch. Er wandte sich um und sah, daß Zohra traurig und schicksalsergeben in den Himmel blickte. Aus den Wolken ergossen sich weitere Heerscharen, frische Soldaten, die den zurückkehrenden Nomaden entgegenritten.
»Ich fürchte, Mathew, es ist bereits zu spät!« sprach sie leise.
26
Ohne die geringste Ahnung, was in ihren Lagern geschah, führten die beiden Scheichs, Majiid und Jaafar, ihre Truppen im Eiltempo durch die Wüste, um Zeid anzugreifen. Jaafar, der das Reiten nicht gewohnt war, wurde in seinem Sattel kräftig hin und her geworfen, verlor ständig die Steigbügel, und es hatte ganz den Anschein, daß der Scheich von seinem Pferd fallen und sich das Genick brechen
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