Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
Geräusch. Alles war stumm, stumm wie ein Grab, dachte er, und sein Herz schmerzte vor Angst.
Draußen vor der Tür kehrte die Erinnerung an die qualvollen Schreie zurück, und der Mut verließ ihn.
»Feigling!« verwünschte er sich verbittert, wie er zitternd im Eingang stand, sich vor dem Eintreten fürchtete, wie ihm davor grauste, was er dort drin vorfinden würde. »Er ist derjenige, der leidet, aber du zitterst vor Entsetzen, bist zu gelähmt, um ihm zu helfen!«
»Helfen!« verhöhnte er sich selbst. »Welche Hilfe kannst du schon anbieten? Welche Hoffnung? Keine. Worte, sonst nichts. Was hast du zu befürchten? Daß du ihn tot vorfinden könntest? Solltest du ihm das nicht vielmehr wünschen, wenn du wirklich etwas für ihn übrig hast? Oder bist du ebenso selbstsüchtig wie feige? Und was, wenn er gar nicht tot ist? Dann wirst du ihn dazu bringen, noch mehr Qualen über sich ergehen zu lassen. Es ist besser zu gehen, besser, ihn gehen zu lassen…«
»Nein! Du irrst dich!« widersprach Mathew sich selbst entschieden und schob seine Zweifel beiseite. Er erkannte diese Stimme, es war dieselbe, die ihm einst gesagt hatte, er solle aufgeben, als er von dem Sklavenhändler gefangengenommen worden war; die Stimme, die ihm von der Süße des Todes vorgeflüstert hatte. »Ich vergeude Zeit. Der Peiniger wird bald zurück sein.«
Mathew spannte sich und betrat die Folterkammer.
»Khardan!« murmelte er. Mitleid erfüllte ihn. Mathew vergaß, daß der Peiniger jeden Augenblick zurückkehren konnte. Er vergaß den Wisch, vergaß die Gefahr, in der er schwebte.
Khardan saß auf dem steinernen Fußboden, den Rücken gegen eine Mauer gelehnt, die Arme über seinem Kopf angekettet. Man hatte ihm die Kleider ausgezogen. Brandflecken bedeckten seine kahle Brust, Blut sickerte aus mehreren Wunden. Der Kopf des Kalifen war nach vorn gesunken, er hatte das Bewußtsein verloren. Mit brennenden Tränen in den Augen preßte Mathew die Hand an den Mund, unterdrückte einen erstickten Schrei des Entsetzens.
»Laß ihn!« drängte die Stimme. »Laß ihm diesen einen Augenblick des Friedens. Das wird alles sein, was er bekommen kann…«
Kopfschüttelnd nahm Mathew alle Kraft und Mut zusammen – etwas, das viel schwieriger war als Dämonen zu zitieren – und kniete neben dem Kalifen nieder. Auf einem nahestehenden Tisch befand sich eine Schale Wasser, knapp außer Reichweite des Gefangenen, vermutlich hatte man sie dorthin gestellt, um die Qualen des angeketteten Manns noch zu verstärken. Mathew hob sie auf, tauchte die Finger in das kühle Wasser und betupfte damit die blutverkrusteten Lippen des Kalifen.
»Khardan«, sagte er. Der Name kam nur als Schluchzen aus seinem Mund.
Khardan rührte sich und stöhnte, und Mathews Herz verkrampfte sich vor Mitleid. Die Hand an den Lippen zitterte, Tränen blendeten ihn für einen Augenblick, und er konnte nicht mehr sprechen. Er zwang sich, sein Mitgefühl zu unterdrücken.
»Khardan«, wiederholte er, diesmal mit festerer Stimme.
Khardan hob plötzlich den Kopf, blickte mit fiebrigen Augen umher, die sich bis in Mathews Seele einbrannten.
»Genug!« murmelte der Nomade. »Genug!«
»Khardan!« Mathew strich das Haar des Manns mit sanfter, beruhigender Hand zurück und hielt ihm die Wasserschale an die Lippen. »Khardan, ich bin es, Mathew! Trink…«
Khardan trank durstig, dann würgte er, stöhnte qualvoll und erbrach das Wasser wieder. Doch seine Augen verloren ihren wirren Blick, ein Wiedererkennen flackerte in dunkler Tiefe auf. Er lehnte sich matt gegen die Mauer.
»Wo ist… er!« Das Entsetzen, mit dem Khardan das Wort aussprach, jagte Mathew eisige Schauer über den Rücken. Er stellte die Wasserschale ab, seine zitternde Hand vergoß dabei das meiste davon.
»Er ist fort, für den Augenblick«, sagte Mathew leise. »Die Kreatur, die ich… beherrsche… hat ihn fortgelockt.«
»Hol mich hier raus!« keuchte Khardan.
Mathew nahm dem Mann die Hand von der Stirn, setzte sich zurück, blickte in die dunklen, hoffnungsvollen Augen. »Ich kann nicht, Khardan.« Nie war es ihm so schwergefallen zu sprechen. Er sah Verachtung und Zorn in den Augen aufblitzen, dann schlossen sie sich. Khardan seufzte.
»Dann danke ich dir wenigstens hierfür«, sagte er schleppend und deutete schmerzerfüllt auf das Wasser. »Du solltest jetzt besser gehen. Du hast sehr viel aufs Spiel gesetzt, zu mir zu kommen…«
»Khardan!« Mathew faltete flehend die Hände zusammen. »Ich
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