Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
Gelehrten in tiefes, gefährliches Wasser zu führen. Während er sich gelegentlich daran erheiterte, Sterblichen dabei zuzuhören, wie sie mit fester Überzeugung über irgend etwas stritten, wovon sie absolut nichts verstanden, empfand der Wisch theologische Debatten in der Regel doch als einschläfernd. Selbst für Mathew fand der Wisch es eher merkwürdig, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt mit einem unter der Marter stehenden Mann über Theologie zu streiten, und so prüfte die Kreatur Mathews Geist sehr gründlich. Der junge Hexer schien jedoch nichts anderes im Schilde zu führen. Nicht daß ihm irgend etwas anderes genützt hätte. Der Wisch beschloß, dem Sterblichen seinen Gefallen zu tun und sich gleichzeitig ein wertvolles Entgegenkommen zu sichern.
»Wenn ich deinen Befehlen folgen soll, mußt du Astafas die Treue schwören.«
»Jederzeit!« sagte Mathew kurz angebunden, begierig, endlich zu Khardan zu kommen. Dieses unheilvolle Schweigen war schlimmer als die Schreie.
»Einen Moment noch!« Der Wisch hob eine Hand mit gespaltenen Fingern. »Ich halte es für angebracht, dir mitzuteilen, daß dein Schutzengel nicht anwesend ist, so daß niemand da ist, um sich zu deinen Gunsten einzumischen, bevor du dich auf diese Weise festlegst.«
Weshalb diese Nachricht Mathew, der ebensowenig an Schutzengel wie an andere Märchen glaubte, zusetzen sollte, war zwar ein Rätsel. Doch plötzlich war ihm das Herz schwer geworden.
»Das spielt keine Rolle«, sagte er nach kurzem Überlegen. »Ich schwöre dem Fürsten der Finsternis die Treue.«
»Sprich seinen Namen aus!« zischte der Wisch.
»Ich schwöre… Astafas die Treue.« Das Wort brannte auf Mathews Lippen wie Gift. Als er mit der Zunge darüberfuhr, nahm er einen bitteren Geschmack wahr.
Der Wisch grinste. Er wußte, daß Mathew log. Er wußte, daß die Lippen des Menschen zwar die Worte aussprachen, daß diese aber nicht in seiner Seele widerhallten. Aber der Sterbliche war allein auf dieser Ebene menschlicher Existenz, sein Schutzengel war nicht mehr da, um ihn mit weißen Flügeln abzuschirmen. Und Mathew wußte nun, daß er allein war. Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit – das würden die Folterwerkzeuge des Wischs werden, und wenn die Zeit kam, würde der junge Hexer nur zu bereit sein, der Qual ein Ende zu setzen, in den beruhigenden Trost dunklen Vergessens einzutreten.
»Warte hier!« sagte der Wisch und verschwand im nächsten Augenschlag.
Eine Stimme kam aus dem Fackellicht, so nahe und wirklich, daß Mathew schon aufsprang und sich entsetzt umblickte.
»Lebensmeister! Komm schnell!« Auda ibn Jad klang zornig, erregt. »Dieser Ritter. Irgend etwas stimmt mit ihm nicht! Ich glaube, er stirbt!«
Der Gang war leer. Der Schwarze Paladin war nirgendwo zu sehen. Und doch schien seine Stimme neben Mathew zu ertönen.
»Lebensmeister!« befahl ibn Jad.
»Was ist los?« antwortete eine schrille Stimme von unten.
Mathew preßte sich wieder in den Alkoven, hielt die Luft an.
»Lebensmeister!« Der Schwarze Paladin war wütend.
Schritte scharrten über die Stufen. Der Lebensmeister stieg keuchend hinauf und starrte in den Gang hinaus.
»Ibn Jad?« fragte er mit bebender Stimme.
»Lebensmeister!« Der Schrei des Schwarzen Paladins hallte durch den Gang. »Was zögerst du? Der Ritter hat einen Anfall!«
Mit vorgerecktem, übergroßem Kopf schlurfte der Lebensmeister den Gang entlang, folgte dem Klang von ibn Jads Stimme, die immer wütender und zugleich immer ferner hallte.
11
Kräftige Arme hielten Zohra fest, Hände streichelten sie. Der Schmerz des Verlangens brannte in ihr, und sie schrie nach Liebe, doch da war nichts. Die Arme schmolzen dahin, die Hände zogen sich zurück. Sie war innerlich leer, sehnte sich verzweifelt danach, daß diese Leere ausgefüllt werden möge. Der Schmerz wurde schlimmer und schlimmer, und dann stand eine dunkle Gestalt über ihrem Bett.
»Khardan!« rief Zohra froh und streckte die Arme aus, um die Gestalt an sich zu ziehen.
Die Gestalt hob eine Hand, und ein helles weißes Licht begann in Zohras Augen zu scheinen.
»Wach auf«, sagte eine kühle Stimme.
Zohra setzte sich auf, ihre Augen tränten in der plötzlichen Helligkeit. Sie hob die Hand, um sie abzuschirmen, und versuchte die Figur zu erkennen, die in dem weißen Licht widergespiegelt wurde.
»Was ist mit mir geschehen?« rief Zohra furchterfüllt.
»Nichts, meine Liebe«, sagte eine Frauenstimme. »Die Droge wurde dir vorzeitig verabreicht.«
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