Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
sie mit leiser, gepreßter Stimme.
»Ist sie fort?«
»Ja!« Zohra unterdrückte ein ungeduldiges Seufzen.
»Ich komme, Prinzessin.« Der Dschinn quoll aus dem Ring hervor – eine dünne, wabernde Wolkenflocke, die erst über den Boden kroch, bevor sie sich zu einem Körper verdichtete. Kleinlaut, armselig und verängstigt, sah der dicke Dschinn wie ein Stück Ziegenkäse aus, der unter der Wüstensonne zerschmolz.
»Usti«, sagte Zohra sanft, den Blick auf die Kerzenflamme gerichtet, »stimmt es, was sie sagt? Können sie… meinen Körper… einem Gott geben?«
»Ja, Prinzessin«, erwiderte der Dschinn traurig und ließ den Kopf hängen. Seine Kinne falteten sich ineinander, bis es so schien, als würden Mund und Nase vom Fleisch verschlungen werden.
»Und… gibt es nichts, was du dagegen tun kannst?« Ihr Kampfgeist war gebrochen, die Furcht begann zu obsiegen; Zohra stellte die Frage in einem mitleiderregenden, traurigen Ton.
»Ach, Prinzessin«, jammerte Usti und rang gequält die Hände. »Ich bin ein höchst nutzloser Unsterblicher, schon mein ganzes Leben lang! Ich weiß es! Aber ich schwöre dir, daß ich die eiserne Kiste riskieren würde, ich schwöre es bei Hazrat Akhran, daß ich dir helfen würde, wenn ich könnte! Aber weißt du!« Er gestikulierte wild in Richtung Tür. »Sie weiß, daß ich hier bin! Und sie unternimmt nichts, um mich abzuhalten. Weshalb? Weil sie weiß, daß ich hilflos bin, machtlos, sie zu hindern!«
Zohra senkte den Kopf, das schwarze Haar fiel ihr auf die Schultern. »Niemand kann mir helfen. Ich bin völlig allein. Mathew hat mich verlassen. Khardan ist zweifellos entweder schon tot, oder er liegt im Sterben. Es gibt keine Flucht, keine Hoffnung…« Verzweifelt ließ sie das Laken aus den kraftlosen Händen gleiten. Tränen liefen ihre Wangen herab und troffen auf das Laken, befleckten die Seide. Usti sah sie entsetzt an. Er warf sich aufs Bett und rief: »Gib nicht auf, Prinzessin! Das sieht dir doch gar nicht ähnlich! Kämpfe!
Hör mal, bist du nicht wütend auf mich? Wirf mit irgend etwas nach mir! Hier…« Der Dschinn ergriff eine Wasserkaraffe. Achtlos verschüttete er Wasser auf dem Bett, um sie in Zohras schlaffe Hand zu drücken. »Wirf das nach mir! Hau es mir auf den Kopf!« Usti riß sich den Turban ab, entbot ihr den kahlen Schädel als verlockendes Ziel. »Schrei mich an, brüll mich an, verwünsche mich! Irgend etwas! Nur weine nicht, Prinzessin! Weine nicht!« Wie ein Wasserfall strömten die Tränen sein eigenes fettes Gesicht herab, und Usti zerrte sich das Bettzeug über den Kopf. »Bitte weine nicht!«
»Usti«, sagte Zohra, und in ihren Augen schimmerte ein gespenstisches Leuchten. »Ich habe eine Idee. Es gibt eine Möglichkeit, sie daran zu hindern, meinen Körper zu übernehmen.«
»Welche?« fragte Usti argwöhnisch, während er das Laken etwas senkte und über seinen Rand spähte.
»Wenn mein Körper tot wäre, könnten sie ihn nicht benutzen, oder?«
»Prinzessin!« keuchte Usti in plötzlichem, entsetztem Verstehen, gleichzeitig riß er sich wieder das Laken über den Kopf. »Nein, ich kann nicht! Es ist mir untersagt, ohne Erlaubnis des Gotts ein sterbliches Leben zu nehmen!«
»Du hast gesagt, du würdest alles für mich riskieren!« Zohra zerrte an dem Tuch. Langsam erschien das Gesicht des Dschinns, der sie kummervoll anblickte. »Meine Seele wird beim Heiligen Akhran für dich beten. Der Gott hat nichts getan, uns zu helfen. Da wird er doch nicht so ungerecht sein, dich dafür zu bestrafen, die letzte Bitte deiner Herrin zu erfüllen!«
Der Dschinn erhob sich zitternd. »Prinzessin«, sagte er, »irgendwo in diesem fetten Leib werde ich den Mut finden, deinen Befehl auszuführen.«
»Danke, Usti«, erwiderte Zohra sanft.
»Aber erst im allerletzten Augenblick, wenn es keine… keine Hoffnung mehr gibt«, ergänzte der Dschinn unter Tränen.
»Im allerletzten Augenblick, wenn es keine Hoffnung mehr gibt«, wiederholte Zohra, und ihr Blick schweifte zum Fenster hinüber, um die Dämmerung zu erwarten.
12
Mathew wartete, bis er den Kopf des Lebensmeisters im Flammenlicht der fernsten, den Gang erhellenden Fackel erblickte. Dann schlüpfte der junge Hexer aus seinem Alkoven. Er blieb im Schatten, lief auf die Treppe zu und tastete sich die Wand entlang nach unten. Als er unten angekommen war, sah er, wie das Licht aus dem Raum strömte, in dem sich Khardan befinden mußte. Aus dem Raum drang nicht das leiseste
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