Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
»Jetzt ruhe dich aus, mein Kind. Du bist zu Hause angekommen.«
Nun würde er diese sanfte Stimme niemals mehr vernehmen. Er würde nur barsches Gelächter zu hören bekommen, das wie Flammen knisterte. Es würde kein Ausruhen geben, keine schöne Heimkehr. Nur Leere, innerlich und äußerlich, in der seine Seele mit unstillbarem Hunger am Nichts nagte. Denn ich habe es gewagt, die Macht des Astafas zu benutzen; habe sie nicht nur benutzt, sondern habe sie genossen und mich daran ergötzt!
Beim erneuten Erscheinen des Wischs hatte er auch Freude verspürt. Die gleiche Erregung hatte er gestern abend gespürt, als der Wisch seinem Befehl folgte und den Peiniger fortlockte.
»Ich hätte den Stab wegwerfen sollen«, sagte Mathew entschieden. »Ihn zerstören. Auf die Knie fallen und Promenthas um Vergebung anflehen. Und mich jenem Schicksal überantworten, das meiner harrt. Und wenn es nur um mich ginge, wenn ich allein wäre, würde ich auch genau das tun. Aber ich kann nicht. Andere sind von mir abhängig.«
Mathew warf sich wieder aufs Bett, schloß die Augen vor dem Licht.
»Ich habe gesagt, daß ich für Khardan mein Leben geben würde«, sagte er mit bebenden Lippen. »Da kann ich doch wohl auch meine Seele geben!«
Und Zohra – empörend, stur, mutig. Zohra – die gegen ihre eigenen Schwächen ankämpfte, ohne jemals zu erkennen, daß es ihre Stärken waren. In diesen Mauern gefangen, ohne auch nur den armseligen Trost zu haben, ein paar Worte zu wechseln, wie es Mathew und Khardan getan hatten, mußte Zohra sich vollkommen alleingelassen fühlen. Hatte ihr Mut schließlich versagt? Würde sie demütig ihr schlimmes Schicksal auf sich nehmen? Vielleicht glaubte auch sie, wie Khardan, daß ihr Gott sie verlassen hatte.
»Ich muß zu ihr«, sagte Mathew, setzte sich auf und strich sich das wirre rote Haar aus dem Gesicht. »Ich muß sie trösten, ihr mitteilen, daß noch Hoffnung besteht!«
Seine Hand fuhr an den Stab in der Tasche seiner schwarzen Kutte. Als sich die Finger darum schlossen, durchschoß Mathew eine angenehme Wärme. Er holte den Stab hervor, untersuchte ihn bewundernd. Es war wirklich ein hervorragendes Stück Handwerkskunst. Hatte Meryem ihn selbst gemacht oder hatte sie ihn erworben? Er erinnerte sich, von dunklen und geheimen Orten in der Hauptstadt Kanda gelesen zu haben, wo man derlei schwarzmagische Gerätschaften erwerben konnte, wenn man das richtige…
Mathew stockte der Atem. Seine Hand begann zu beben, und er ließ den Stab aufs Bett fallen. Als er den Stab zum ersten Mal an Bord des Schiffs entdeckt hatte und ihn aufhob, hatten seine Fingerspitzen schmerzhaft geprickelt, hatte sich sein Arm wie gelähmt angefühlt.
Nun bereite ihm die Berührung Freude…
»Meister«, zischte der Wisch und erschien mit einem Knall, »du hast mich gerufen?«
»Nein!« rief Mathew mit hohler Stimme und schob den Stab von sich. »Nein, ich…«
Eine dünne Rauchwolke trieb in die Mitte des Raums und begann Form anzunehmen. Erstaunt sah Mathew den runden Bauch eines Dschinns aus der Wolke hervortreten.
»Usti?« entfuhr es ihm.
Jetzt, da der Dschinn als Fleischberg vor ihm erschien, war er sich sicher, daß es tatsächlich Usti war, mit dem er da sprach. Der Dschinn hatte sein Doppelkinn beinahe eingebüßt, sein runder Bauch konnte die Pluderhose nicht mehr ganz halten, die ihm erbärmlich um die Hüfte schlabberte. Die sonst so prächtigen Kleider des Dschinns waren zerfetzt und schmutzig, der Turban war ihm über ein Auge gerutscht.
»Verrückter!« Mit einem Knall fiel Usti auf die Knie. »Gelobt sei Akhran, daß ich dich gefunden habe. Ich…« Er brach ab, starrte den Wisch an. »Ich bitte um Verzeihung«, sagte der Dschinn steif. »Vielleicht bin ich in einem unpassenden Augenblick gekommen.« Die Gestalt des Unsterblichen begann zu verblassen.
»Nein, nein!« rief Mathew. »Geh nicht!«
Der Wisch warf Mathew einen argwöhnischen Blick aus seinen verengten Augen zu. »Wie schlau von dir, mein Dunkler Meister. Findest du es nicht verwirrend, so vielen Göttern zu dienen?«
»Wem dienst du denn, mein Herr?« fragte Usti mit einem Schniefen, während er den dürren Leib des Wischs mit Mißfallen musterte. »Und gibt er dir etwa nichts zu essen?«
»Ich diene Astafas, dem Fürsten der Nacht!«
»Nie gehört«, erwiderte Usti.
»Und was das Essen betrifft«, fuhr der Wisch fort und seine roten Augen blitzten, die gespaltenen Finger wanden und krümmten sich, »so fresse ich das
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