Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
strömte in die kochende See. Dampf und Wolken legten ihre verschlungenen Laken über die Insel Galos, und sie verschwand für immer in den dunklen Gewässern.
»Es ist ein grausames und böses Volk«, sagte Asrial, als sie im Geist noch einmal den Mord an den Priestern und Zauberern an den Ufern von Bas durchlebte. »Sie haben ein solches Schicksal verdient. Sie sind das Leben nicht wert.«
»Das lehrt Quar auch – über die Anhänger des Promenthas«, erwiderte die Todin kalt.
»Er irrt sich!« rief Asrial. »Mein Volk ist nicht wie jene!«
»Nein, und es ist auch nicht wie die Anhänger des Quar. Und deshalb müssen sie entweder wie Quars Anhänger werden oder sterben, ›weil sie das Leben nicht wert sind‹.«
»Du mußt ihn aufhalten!«
»Was kümmert mich das? Was schert es mich, ob es einen Gott gibt oder zwanzig? Und es ist auch nicht deine Sorge, oder, Kind? Deine Sorge gilt diesem einen Sterblichen, dessen Leben und Seele auf Messers Schneide stehen. Ich fürchte, du kannst nur wenig tun, um sein Leben zu retten…« Die Todin ließ die Vision von Mathew wiederkehren und musterte sie mit einem Ausdruck unstillbaren Hungers im bleichen Gesicht. »… aber seine Seele könntest du noch retten.«
»Ich muß zu ihm…«
»Aber gern«, erwiderte die Todin freundlich. »Ich muß dich allerdings daran erinnern, daß du, um zum Stadttor zu gelangen, durch die Straßen von Serinda mußt.«
Der Engel starrte die Todin mit entsetzter Miene an.
»Aber das kann ich nicht! Sollte ich sterben…«
»… würdest du wieder leben, aber ohne jede Erinnerung an deinen Schützling.«
»Was willst du von mir?« fragte Asrial mit bebenden Lippen. »Du hast mich hierhergebracht, du hast mir dies aus irgendeinem Grund gezeigt.«
»Errätst du es nicht? Ich will Pukah.«
»Aber du hast ihn doch!« antwortete der Engel verzweifelt. »Du hast selbst gesagt, daß er unmöglich fliehen kann!«
»Bei Sul ist nichts sicher«, antwortete die Todin heftig, »wie ich nur zu gut weiß. Du liebst ihn doch, nicht wahr?«
»Unsterbliche Wesen können nicht lieben.« Asrial senkte die Augen.
»Sie sollten es nicht tun. Es mindert ihre Wirksamkeit, wie du ja wohl eindeutig bestätigen kannst. Du hast gleich eine doppelte Sünde begangen, mein Kind. Du hast dich in einen Sterblichen und einen Unsterblichen verliebt. Jetzt mußt du zwischen beiden wählen. Gib mir Pukah, dann lasse ich dich frei, damit du die Seele deines Sterblichen noch retten kannst, wenn schon nicht seinen Körper.«
»Aber es wird zu spät sein!« Asrial blickte entsetzt auf die Vision.
»Zeit hat hier keine Bedeutung. In diesem Reich vergeht für jede Millisekunde ein ganzer Tag im Reich der Sterblichen. Bring mir heute nacht das Turmalinamulett, damit der Dschinn schutzlos ist, und ich werde dafür sorgen, daß du rechtzeitig eintriffst, um für Mathews Seele zu streiten.«
»Aber du hast doch gesagt, daß Pukah bis morgen früh Zeit hätte!«
Die Frau zeigte grinsend die Zähne. »Der Tod ist ohne Mitgefühl, ohne Vorurteile… ohne Ehre. Die einzigen Eide, an die ich gebunden bin, sind jene, die ich in Suls Namen leiste.«
Asrial blickte wieder auf Mathew. Sie bemerkte, wie die Finsternis bereits ihre schwarzen Schwingen um ihn schloß. Das Schwert des Auda ibn Jad glitt langsam vor, ganz, ganz langsam, aus seiner Scheide, und sie sah Mathew, der dem Schwarzen Paladin den Rücken zukehrte, seinen Dolch gegen einen Mann erheben, der ihm vertraut hatte, einen Mann, den er liebte.
Asrial neigte den Kopf, ihre weißen Flügel erschlafften, und sie fand sich auf der Straße wieder, vor dem Arwat in der Stadt Serinda.
2
»Mein bezauberndes Wesen!« rief Pukah, als er Asrial aus dem Fenster erspähte. Er sprang auf die Beine, rannte draußen vor den Arwat und stellte sich vor dem Engel auf der Straße auf. »Du bist zurückgekehrt!«
»Natürlich«, erwiderte Asrial traurig. »Wohin hätte ich denn sonst gehen sollen?«
»Ich weiß es nicht!« erwiderte Pukah grinsend. »Als ich dich mit der Todin verschwinden sah, gingen mir alle möglichen aberwitzigen Gedanken durch den Kopf. Beispielsweise, daß sie dich vielleicht zu deinem Verrückten zurückschicken könnte…«
»Nein!« rief Asrial heftig. Pukah blickte sie erstaunt an, und sie errötete und biß sich auf die Lippe. »Ich meine, nein, wie töricht von dir, dir so etwas einzubilden.« Fest ergriff sie Pukahs Hand. Ihre Finger waren etwas zu kalt für eine leidenschaftlich
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