Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
Langsam, mit kalten und zitternden Armen, zog sie seinen Kopf an ihren Busen und begann, das krause Haar des Dschinns zu streicheln.
Pukah kuschelte sich an ihren weichen Flügel und legte die Lippen auf ihren weißen Hals, er wollte sich gerade in der Lieblichkeit verlieren, als er bemerkte, daß Asrial angefangen hatte zu singen.
»Mein Täubchen«, sagte er, räusperte sich und versuchte den Kopf zu heben, merkte aber, daß der Engel ihn festhielt, »dein Gesang ist schön, wenn auch ein bißchen gespenstisch, aber so traurig… und außerdem…« Er gähnte. »… macht er mich schläfrig.«
Pukah schloß die Augen. Der verzaubernde Gesang perlte in seinen Geist wie die säuselnden Wasser eines kühlen Stroms, löschten das Verlangen. Er ließ sich von Wasser ergreifen und forttreiben, bebte auf der Musik, bis er unter die Wellen sank und ertrank.
Asrials Stimme erstarb. Der Dschinn schlief fest, den Kopf auf ihre Brust gelegt, seine Atmung ging ruhig und regelmäßig. Sanft rollte sie seinen Leib beiseite und setzte sich neben ihm auf. Sie befürchtete nicht, ihn zu wecken. Sie wußte, daß er für sehr lange Zeit schlafen würde.
Seufzend musterte Asrial den schlummernden Pukah, bis sie vor Tränen in den Augen nichts mehr sehen konnte. Der schlanke, jugendliche Leib, das Fuchsgesicht, das sich für so schlau hielt. Verstohlen legte sie die Hände um seinen Oberkörper und zog ihn näher an sich heran. Sie vergrub das Gesicht in seiner Brust und hörte sein Herz klopfen.
»Kein Unsterblicher kann ein Herz haben!« weinte sie. »Kein Unsterblicher kann lieben! Kein Unsterblicher kann sterben! Verzeih mir, Pukah. Das ist der einzige Ausweg! Der einzige Ausweg!«
Asrial nahm das Amulett in ihre zitternden Hände und entfernte es zögernd vom Hals des Dschinns.
3
Ein Dschinn erwachte in der matt beleuchteten, höhlenähnlichen Kammer. Er setzte sich auf und blickte sich um, nur undeutlich konnte er die hohen Marmorsäulen ausmachen, die auf ihrer polierten Oberfläche das orangefarbene Licht der glühenden Flamme widerspiegelten. Der stattliche Dschinn hatte keine Ahnung, wo er war, und auch keine Erinnerung daran, wie er hierher gekommen war. Tatsächlich konnte er sich an überhaupt nichts erinnern und betastete seinen Kopf, um festzustellen, ob er eine Beule hatte.
»Wo bin ich?« fragte er, eher, um seine eigene Stimme in dem schattigen Dunkel zu vernehmen, als darum, weil er mit einer Antwort gerechnet hätte.
Dennoch erhielt er Antwort.
»Du bist im Todestempel der Stadt Serinda.«
Erschrocken blickte sich der Dschinn um und sah die Gestalt einer weißgekleideten Frau, die über ihm aufragte. Sie war schön; ihr marmorglattes Gesicht spiegelte die Flamme auf die gleiche Weise wider wie die hohen Säulen. Trotz ihrer Schönheit erzitterte der Dschinn, als sie nahte. Vielleicht lag es an dem undeutlichen Licht, aber der Dschinn hätte schwören können, daß die Augen der Frau seltsam waren.
»Wie bin ich hierher gekommen?« fragte der Dschinn und tastete seinen Kopf immer noch nach Schwellungen oder Schürfungen ab.
»Du erinnerst dich nicht.«
»Nein, ich erinnere mich… nicht an viel.«
»Ich verstehe. Nun, dein Name ist Sond. Klingt dir das vertraut?«
Ja, dachte der Dschinn, das klang richtig. Er nickte zaghaft, rechnete damit, daß sein Kopf weh tun würde. Doch das tat er nicht.
»Du bist ein Attentäter. Dein Preis ist hoch. Nur wenige können sich dich leisten. Aber einer hat es getan. Ein König. Er hat dich recht großzügig dafür bezahlt, einen jungen Mann zu töten.«
»Ein König sollte keinen Attentäter anheuern müssen«, meinte Sond und stand langsam wieder auf, während er die Frau argwöhnisch musterte. Was war nur mit ihren Augen los?
»Das tut er, wenn das Attentat vor jedermann am Hof geheimgehalten werden muß, selbst vor der Königin. Er tut es, wenn das Mordopfer sein eigener Sohn ist!«
»Sein Sohn?«
»Der König hatte entdeckt, daß der Junge seinen Sturz plante. Der König wagt es nicht, seinen Sohn offen herauszufordern, denn dann würde die Mutter des Jungen sich auf seine Seite stellen, und die besitzt ihre eigene Armee, die mächtig genug wäre, um das Königreich zu spalten. Der König hat dich angeheuert, den jungen Mann zu ermorden, danach wird er die Nachricht verbreiten, daß die Tat das Werk eines Nachbarkönigreichs, eines Gegners, war.
Du hast dein Opfer bis in diese Stadt, Serinda, verfolgt. Er wohnt in einem Arwat, nicht weit von
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