Die Rose des Propheten 6 - Das Buch Promenthas
hinauszustarren, die sich immer stärker um ihn zusammenzuziehen schien.
Das Buch Akhran
1
Hrana, Akar, Aran: Die Stämme ritten schnell und in düsterem Schweigen in Richtung Kich, jeder Mann hing seinen eigenen dunklen Gedanken nach. Nicht einmal Khardan glaubte, daß der Emir ihre Herausforderung annehmen würde. Der Imam hatte erklärt, daß die Kafiren sich entweder bekehren lassen oder sterben würden, und von dieser Haltung würde er nicht abrücken. Dies war der letzte Ritt des Wüstenvolks. Dies war das Ende – des Lebens, der Zukunft. Die Hoffnung, die in beinahe jedem Herzen wuchs, hatte den Geschmack eines bitteren Krauts – sie bestand allein darin, nach dem Tod vor Akhran stehen und sagen zu können: »Ich starb ehrenvoll.« Als die Nomaden das Lager am Tel verließen, war Khardan nicht überrascht zu sehen, daß die Rose des Propheten dem Tod näher zu sein schien als je zuvor. Und doch klammerte sie sich mit sturer Beharrlichkeit ans Leben.
Nur in zwei Herzen jedoch keimte echte Hoffnung. Zohra hatte noch nie von diesem ›Nebel‹ gehört, von dem Mathew sagte, daß er in dem fremden Land, aus dem er stammte, häufig vorkomme. Sie empfand es als schwierig, sich vorzustellen, daß Wolken vom Himmel herabstiegen, um ihrem Befehl zu gehorchen, sie zu umhüllen und zu beschützen und die Augen ihrer Feinde zu verwirren. Doch sie hatte gesehen, wie Mathew eine dieser Wolken in ihrem Zelt aus dem Wasser einer Schale heraufbeschworen hatte. Sie hatte ihre kalte und klamme Berührung auf ihrer Haut gespürt, ihren seltsamen Geruch wahrgenommen und staunend mitangesehen, wie Mathew nach und nach vor ihren Augen verschwunden war, während vertraute Gegenstände im Zelt entweder ebenfalls verschwanden oder fremdartig und unwirklich auszusehen begannen.
Sie hatte geglaubt, daß Mathews Körper sich in den Nebel verwandelt hatte, bis er etwas gesprochen und nach ihr gegriffen hatte. Seine Hand hatte sie gepackt, und da war die Enttäuschung gekommen.
»Was nützt denn eine Wolke, die nicht einmal eine Hand aufhalten kann, ganz zu schweigen von Schwertklingen oder Pfeilen?«
Geduldig hatte Mathew ihr erklärt, daß, wenn man jeder Frau die Magie beibrächte, ihren eigenen ›Nebel‹ zu beschwören, es am Ende eine riesige Wolke ergeben würde. Dann könnten sie die Verwirrung der Wachen nutzen, anzugreifen und die Gefängnismauern zu überwinden.
»Du kennst doch bestimmt auch Zauber, die wie ein ganzes Heer auf unserer Seite kämpfen können!« hatte sie beharrlich gefragt.
Ja, hatte er geduldig geantwortet, aber man muß viel studieren, um sie wirkungsvoll anzuwenden. Ohne entsprechende Übung mit dieser Magie ist ein solcher Zauber für den, der ihn verhängt, gefährlicher als für das Opfer.
»Der Nebelzauber läßt sich vergleichsweise leicht ausführen. Es wird keine Schwierigkeiten machen, ihn den Frauen beizubringen. Wir brauchen lediglich eine Wasserquelle, und die wird es doch im Gefängnis bestimmt geben.«
»Hast du das schon einmal gemacht?« hatte Zohra gefragt.
»Natürlich.«
»Mit vielen Leuten?«
Er hatte nicht geantwortet, und Zohra hatte die Angelegenheit nicht weiter verfolgt.
Zwei harte Tagesritte auf den Mehara und jenen Pferden, die sie vor der Schlacht hatten retten können, führten die Männer in die Hügel der schafzüchtenden Hrana. Dort waren nur wenige übrig, um sie zu begrüßen; alte Männer und Frauen zumeist, die der Emir für nutzlos gehalten und zurückgelassen hatte. Sie hießen ihren Scheich zwar willkommen, bedachten die Prinzessin und ihren Gatten aber mit mürrischen Worten und verbitterten Blicken. Erst als Fedj erschien und ihnen die Geschichte von Khardan dem Propheten erzählte, begannen sie den Kalifen mit größerem Respekt zu betrachten – wenn auch nicht weniger mißtrauisch.
Als die Geschichte schließlich spät in der Nacht endete, war sie inzwischen so ausgeschmückt worden, daß Khardan zu Auda meinte, daß sie nicht wiederzuerkennen sei. Immerhin erzielte die Geschichte ihre beabsichtigte Wirkung. Sobald die Menschen von Jaafars Stamm, die sich mit den Überresten ihrer Herde in die Hügel zurückgezogen hatten, erfuhren, daß Khardan in Akhrans Gunst stand, schütteten sie ihm all ihre Leiden aus: Das Wasser war knapp, Nahrungsmittel teuer, Wölfe überfielen die Herden, sie machten sich Sorgen über ihre in Kich gefangengehaltenen Familien. Wann würde der Prophet es regnen lassen? Wann würde er ihnen Weizen und Reis bescheren? Wann
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