Die Rose von Angelâme (German Edition)
diese Regel offensichtlich ignorierte.
„Du willst mir also nichts sagen?“, fragte der Erzbischof noch einmal mit honigsüßem Lächeln, das so falsch war wie der Tonfall seiner Stimme.
„Nein.“ Rose lächelte mühsam, wie um ihn zu beschwichtigen, ihn milde zu stimmen. „Die Dame sagte, dass niemand es verstehen würde. Deshalb soll es auch niemand erfahren. Jetzt nicht und nicht in naher Zukunft. Nur der Vater.“
Der Bischof sah ihr gerade in die Augen. Er unterdrückte mühsam seinen aufwallenden Groll, der ihm bereits das Blut ins Gesicht getrieben hatte. Sollte dieses kleine Weibsstück es tatsächlich wagen, sich ihm, dem Erzbischof von Bordeaux, zu widersetzen?
„Aber mir, mir kannst du es doch sagen. Ich bin …“
„Ich weiß, wer Ihr seid“, unterbrach Rose ihn in kindlicher Ungeduld. „Aber die Dame sagte: niemandem, nur dem Vater. Also auch Euch nicht. Entschuldigt mich bitte.“
Der Bischof wollte sich nicht so schnell beirren lassen, schon gar nicht von einem rotznäsigen Mädchen, wie widerspenstig es auch sein mochte. Blitzschnell griff er nach ihrem Handgelenk, bevor sie ihm entwischen konnte, und drückte so fest zu, dass es Rose wehtat. Aber sie ließ sich nichts anmerken.
„Die Dame sagte tatsächlich: niemand, nur dem Vater?“
„ So ist es.“
„Aber du siehst, der Vater hat mit mir darüber gesprochen, sonst wüsste ich ja wohl nicht, dass du der seltsamen Frau begegnet bist“, sagte er listig.
„Dann hat er Euch bestimmt gesagt, was gesagt werden muss. Mehr weiß ich auch nicht.“
Der Erzbischof schnappte nach Luft. So eine Ungeheuerlichkeit! Das sollte sie ihm büßen!
„Deine Rote Frau, sie ist eine Zigeunerin, eine Hexe“, versuchte er, sie einzuschüchtern. „Und du weißt, was geschieht, wenn man sich mit solchen Frauen einlässt?“
Sein Blick glitt an ihrer schlanken, gerade erblühten Gestalt entlang, unterstrichen durch das für den heutigen Tag angelegte rote Gewand.
„Ich muss zu den anderen“, sagte Rose. Und weil sie den erstaunten Gesichtsausdruck des Hochwürdigsten Herrn und Erzbischofs sah, fügte sie rasch noch hinzu: „Ich bitte Euch ergebenst um Verzeihung.“
Sie entkam seinem Griff, da er in seiner Überraschung ihre Hand losgelassen hatte, knickste artig und lief davon. Allerdings wagte sie nicht, wieder zu der lärmenden und lachenden Ansammlung von Menschen zurückzulaufen, da sie noch viel zu aufgewühlt war und erst einmal ihre Gedanken ordnen wollte.
Der Vater hatte sie verraten, dachte sie und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. Sie verstand das nicht. Er hätte schweigen müssen. Die Dame hatte gesagt, er würde schweigen für alle Zeiten.
Sie machte sich auf, sich in einer Mauernische zu verstecken, wo niemand sie finden würde.
Das gelang nur einem, bevor die Herren abgereist waren.
„Ich habe Euch niemals etwas zuleide getan“, sagte Rose jetzt mühsam und wich zur Wand zurück. Mit einer fahrigen Bewegung wischte sie sich über den Mund.
„Nein? Das weiß ich besser als du!“ Er kam langsam auf sie zu, und wieder spürte sie wie damals die Steine einer Mauer in ihrem Rücken, die eine Flucht unmöglich machten.
„Du bist eine verdammte rothaarige Hexe, und ich werde erst wieder meine Ruhe finden, wenn du diesen Fluch von mir genommen hast!“
„Aber …“
„Weißt du, was es bedeutet, einen Geistlichen auf diese schändliche Weise seine Gelübde vergessen zu lassen? Weißt du, wie oft ich vergebens versucht habe, durch irgendeine rothaarige Hure von diesem Fluch befreit zu werden? Schon alleine dafür und für den Mord an ihr hast du den Tod auf dem Scheiterhaufen verdient.“
„Ich habe doch niemanden umgebracht!“
„Schweig still!“ Er wischte sich mit der Hand über den Mund, als er sich daran erinnerte, wie er der rothaarigen kleinen Hure in Paris den Fisch in den Rachen gedrückt hatte, bis sie daran erstickt war. „Deine sündige Seele soll vom Feuer gereinigt vor den Herrn treten. Das Feuer, ja! Du sollst nie wieder etwas derart Verwerfliches zu tun in der Lage sein.“
„Ich habe Euch nichts zuleide getan“, wiederholte Rose verzweifelt. „Ich habe Euch niemals verflucht oder verhext, Ihr wisst es genau. Ihr wart es hingegen, der mich …“
Er stand mit rasselndem Atem vor ihr und funkelte sie wütend an.
„Schweig! Du hast sogar den Bischof verhext mit deinen bestickten Handschuhen! Ich weiß, dass er sie schließlich verbrannt hat, weil er sie nicht mehr ertragen
Weitere Kostenlose Bücher