Die Rose von Angelâme (German Edition)
sich geschart, und schien sich diesen mehr zu widmen als seinen alten Gefolgsleuten.
Ein weiterer Grund für de Nogaret, der im Volke inzwischen mit dem Zusatztitel le Terrible bedacht worden war, so schnell wie möglich hinter das Geheimnis zu kommen, das ihn im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr ruhen ließ. Er wollte sich mit dessen Hilfe über König und Kirche stellen, die ihn schon immer so schmählich im Stich gelassen hatten.
Heimlich plante er eine Reise zu den Ruinen der Angelâme’schen Burg. Er arbeitete seit Tagen fieberhaft daran, wie er sein Vorhaben plausibel darstellen sollte. Wenn sich der König jedoch weiterhin so abweisend verhielt wie bisher, dürfte das kein größeres Problem mehr darstellen. Und wenn er in Händen hielt, wonach er suchte, wäre es ohnehin nicht mehr wichtig, was sein derzeitiger Herr über ihn dachte.
Zu seiner Gier nach Macht hatte sich ein weitaus besseres Motiv gesellt, das ihn in seinen Bann zog: Rache an diesem undankbaren Monarchen, den er, wenn er dereinst im Besitze des Wissens der Templer war, in den Staub treten würde.
Es beruhigte ihn in seiner Angst, diesen Tag niemals zu erleben, dass auch der fette Dominikaner, der sich inzwischen in ein Kloster zurückgezogen hatte, bei seiner Suche nicht weiter gekommen war. In seiner selbst erwählten Klausur ließ er inzwischen mürrisch und tatenlos die Tage an sich vorüberziehen. Es hatte ihm nicht viel eingebracht, der Großinquisitor in Franken zu sein! Allerhöchstens das zweifelhafte Vergnügen, die rothaarige Hexe von Angelâme brennen zu sehen. De Nogaret war völlig entgangen, was dem fetten Inquisitor daran so wichtig gewesen war.
De Nogaret fuhr aus seinen Gedanken auf, als jemand an seine Tür klopfte.
Ein Bote brachte ihm eine versiegelte Nachricht, die er achtlos auf seinen Arbeitstisch warf. Er hatte seit Tagen keinen Sinn mehr für die Politik Philipps und seiner neuen Berater und war auch kaum noch in der Lage an etwas anderes als dieses verfluchte Geheimnis zu denken, das ihm offenbar langsam den Verstand raubte.
Während er wie ein eingesperrtes Tier in seinem Arbeitszimmer auf-und ablief, fiel sein Blick immer wieder auf das versiegelte Pergament, das auf dem Tisch lag. Billiges Pergament! Er erkannte die Handschrift des Königs und griff nach einer gewissen Zeit des inneren Kampfes schließlich nach der Rolle wie nach einem Stückchen Holz, das einem Schiffbrüchigen die letzte Rettung bringen sollte. Fahrig erbrach er das Siegel und entrollte die Nachricht, die er eilig überflog.
Philipp ließ ihn zu sich bitten, las er. Er könne sich damit aber Zeit lassen bis zum nächsten Tag. Und für so eine läppische Aufforderung schickte ihm der König ein Schriftstück? Das hätte er auch den Boten ausrichten lassen können! So jedoch ließ er seinen Kanzler wissen, dass er ihn nurmehr wie jeden anderen betrachtete, dem er Befehle erteilte. Nur war es gegenüber de Nogaret ein deutlicher Affront, eine Beleidigung sondergleichen.
De Nogaret warf das Pergament in den Kamin und sah zu, wie das Feuer es gierig verzehrte. Aber das Bild veränderte sich vor seinen Augen, und in den schnell auflodernden Flammen tauchte plötzlich das Gesicht des Großmeisters de Molay auf, dessen Mund eine stumme Botschaft formte, die de Nogaret nicht verstand. Zweimal wiederholte de Molay, was er ihm zu sagen hatte, und de Nogaret schrie in das Feuer hinein, er möge verschwinden, zur Hölle fahren und ihn in Ruhe lassen.
Das Bild verschwand tatsächlich, die Flammen züngelten nur noch schwach auf ein paar Stücken Holz, die langsam verglommen, und ein paar Fetzchen des verbrannten Pergaments schwebten wie Schneeflocken durch den Kamin davon.
De Nogaret hatte dicke Schweißperlen auf der Stirn. Dieser Satan, dieser de Molay! Konnte er ihn nicht in Frieden lassen? Was in drei Teufels Namen hatte er ihm zugerufen?
Der Kanzler des Königs erstarrte. Gütiger Gott. Er hatte einen Geist gesehen. Für das mehr oder weniger freiwillige Eingeständnis eines solchen Phänomens waren bereits Hunderte von Menschen gestorben, da sie sich damit unter anderem der Hexerei und der Ketzerei schuldig gemacht hatten.
Er musste endgültig wahnsinnig geworden sein.
Louviers, 25. November im Jahre des Herrn 1314
„Der Templerorden wurde aufgelöst, die meisten der Brüder sind tot, und die Überlebenden werden bis zu ihrem Ende leugnen, jemals Templer gewesen zu sein“, klagte Henri le Loup, während er sorgfältig das Fleisch vom
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