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Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Mayer
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bekommen, dass es ein Geheimnis gab, das ihm möglicherweise zu unglaublicher Macht verhelfen würde. Er aber ging sehr viel weniger feinfühlig vor. In seiner blinden Gier hatte er versucht, dem greisen Papst bei jenem unrühmlichen Vorfall in Anagni das Geheimnis zu entreißen - ohne Erfolg. Der Alte verfiel während seiner Misshandlungen auf des halbamtlichen Großsiegelbewahrers Geheiß mehr und mehr in den Zustand geistiger Umnachtung und starb schließlich einige Tage danach, noch ehe der wutschnaubende, machtgierige de Nogaret erfahren konnte, was er wissen wollte. De Nogaret wühlte seither verbissen in Dingen, die ihn einmal mehr, einmal weniger erfolgreich zum vermeintlichen Kern der Sache brachten.
    Bonifatius, der ehemals so stolze Caetani, starb also 1303 - und nahm das Geheimnis mit ins Grab, welches ihm die kleine Rose von Angelâme im Vertrauen auf das Wort der rot gekleideten Dame hatte zukommen lassen: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Der Vater wird verstehen …“
    „So hat also de Nogaret diesen Papst auf dem Gewissen?“, fragte Pierre entsetzt, dem niemals der Gedanke gekommen wäre, eine andere als die himmlische Macht entscheide darüber, wann sein direkter Vertreter auf Erden heimgerufen würde.
    Henri nickte vielsagend.
    „Das Angebot des französischen Königs, mit dessen Hilfe er schließlich 1305 die Nachfolge seines unseligen Vorgängers und dessen kurzlebigen direkten Nachfolgers Benedikt antrat, kam ihm zunächst gerade recht.“
    Henri überließ es seinem Gegenüber, sich Gedanken darüber zu machen, weshalb das Pontifikat des gutmütigen und weisen Benedikt als Nachfolger Bonifatius’ so kurz gewesen war.
    „Der französische König hat de Got eine Reihe von Bedingungen genannt“, nahm er den eigentlichen Grund dieses Gesprächs wieder auf. „Bedingungen, die der künftige neue Papst einhalten sollte, wenn er in den Genuss kommen wollte, die Tiara tragen zu dürfen. Bedingungen, Pierre de Mézeray, die Ihr mehr oder weniger zufällig mit angehört habt. Bertrand würde alle diese Bedingungen einhalten, denn er wollte unbedingt Papst werden. Damit wäre er der mächtigste Mann der Welt und hätte unter anderem die Möglichkeit, das Geheimnis des Bonifatius zu ergründen. Er war schon nahe dran gewesen, als er in Angelâme mit dem Kind sprechen wollte. Was die Kleine jedoch verhinderte.“
    „Bertrand de Got hat mit Rose gesprochen?“, fragte Pierre ungläubig. Henri nickte, gebot ihm aber zu schweigen und weiter zuzuhören.
    „Da der König ihn nicht in Rom residieren lassen wollte, würde Bertrand wohl kaum Gelegenheit dazu haben, dort nach einem Hinweis zu suchen, der sich möglicherweise zwischen den privaten Dingen des toten Bonifatius befand.“
    Henri le Loup hielt einen Augenblick lang inne, um das Gesagte auf Pierre wirken zu lassen, bevor er fortfuhr: „Die Bedingungen für de Got, Pierre. Ich nehme an, der König wollte, dass der neue Papst niemals einen Thronfolger aus dem Geschlecht eines anderen als der Kapetinger zulässt – insbesondere keinen weiblichen oder einen Thronfolger aus der weiblichen Linie eines anderen Königsgeschlechts.“
    Henri schwieg und wartete geduldig auf Pierres Reaktion.
    „Ihr seid recht gut informiert“, sagte der und trank einen großen Schluck von seinem Bier, wohl auch, um sich für eine kleine Zeit den forschenden Blicken Henris zu entziehen.
    „So hört also weiter zu: Der Grund dafür war für de Got nicht gleich durchschaubar. Dazu war er damals noch zu wenig an gewissen politischen Dingen interessiert und zu gierig auf die rotsamtene Camauro. Das wusste Philipp und nützte es schamlos aus.“ Er hob die Hände wie zu einer Beschwörung und meinte dann finster: „Gehen wir einmal weiter davon aus, dass Philipp Kenntnis von Roses Vision hatte.“
    Allmählich sah Pierre vieles in einem völlig anderen Licht, und es erschreckte ihn zutiefst.
    „Um die Hintergründe verstehen zu können, müsst Ihr wissen, dass das Geschlecht der Merowinger seit Gründung des Reiches durch Chlodwig I. ein Anrecht auf den Thron der Franken hatte. Dieses Geschlecht ist offiziell längst erloschen, wir aber wissen, dass es sich in der weiblichen Linie fortgesetzt und im Verborgenen erhalten hatte. Versteht Ihr?“
    Pierre schüttelte langsam den Kopf und Henri erklärte geduldig weiter:
    „Philipp stammt aus dem Hause der Kapetinger, die ihrerseits die Karolinger abgelöst haben. Als er von der Vision Roses erfuhr, sorgte er auf die

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