Die Rose von Angelâme (German Edition)
um das Rose durch ihre Vision erfahren hat?“, fragte er vorsichtig.
Henri lachte.
„Unter anderem ja. Ihr habt es verstanden“, sagte er, langte über den Tisch und klopfte Pierre anerkennend auf die Schulter. „Ich verstehe, dass Ihr seit Langem darauf brennt, etwas über dieses Geheimnis zu erfahren, dessen Bote Ihr bislang wart, ohne zu wissen, worum es geht.“ Er blinzelte zu ihm hinüber, als blende ihn das Kerzenlicht, welches inzwischen angezündet worden war. „Die Anerkennung aller ist Euch sicher, die erlebt haben, wie geduldig und gehorsam Ihr Eure Pflichten wahrnahmt, ohne zu wissen, wem oder was Ihr dient.“ Er wischte Pierres unterdrückten Einwand mit einer Handbewegung beiseite. „Der Zeitpunkt ist gekommen, Euch einzuweihen, da Ihr neue Wege einschlagen werdet und dazu wissen müsst, ob Ihr bereit seid, Euch den neuen Anforderungen zu stellen.“
Pierre riss überrascht die Augen auf, äußerte sich jedoch nicht weiter.
„So hört mir denn zu: Ihr wart es doch, der damals in jenem Gasthause einen Tagesritt vom Anwesen der Angelâmes entfernt das Gespräch zwischen Philipp und dem damaligen Erzbischof von Bordeaux belauscht hat?“
Pierre starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
„Das ist richtig.“
„Erinnert Ihr Euch an die Bedingungen, die Philipp dem Bischof nannte, und nach deren Erfüllung er ihm die Tiara versprochen hat?“
„Natürlich.“
Er war nun seinerseits nicht gewillt, geheime Dinge auszuplaudern. Als Pierre nicht antwortete, legte ihm Henri erneut eine Hand auf die Schulter.
„Ich verstehe. Ihr haltet Euch nach wie vor an das Schweigegelübde. So will ich Euch sagen, was Ihr glaubt, mir nicht sagen zu können.“
Er musterte eine Zeit lang das Gesicht des jungen Mannes, in dem sich Spannung mit Besorgnis spiegelte. Dann begann er zu erzählen:
„Papst Bonifatius war alles andere als ein Heiliger. Er war verlogen, fett, neidisch, sittenlos und geldgierig, er fluchte wie ein Bürstenbinder, war jähzornig - und er hatte plötzlich einen Feind: Rose von Angelâme.“ Er machte eine kleine Pause, in der er sich einen Schluck Wein aus seinem Krug genehmigte. „Durch einen Boten hatte er eines Tages eine geheime Nachricht erhalten, gerichtet an ‘Den Vater’. Er war nach deren Lektüre gezwungen gewesen, das gerade einmal acht oder neun Lenze zählende Kind, von dem das Schreiben stammte, zu bitten, ihm die Botschaft ihrer darin erwähnten geheimnisvollen Erscheinung zu übermitteln und schließlich zur Kenntnis zu nehmen, was sie ihm zu sagen hatte. Mit wachsendem Entsetzen vernahm er schließlich, was eine rot gekleidete Erscheinung einem unscheinbaren Mädchen irgendwo im Frankenlande prophezeit hatte. Zunächst wollte er nicht glauben, geschweige denn dass er alles verstehen konnte, was sie ihm berichtete. Denn die Botschaft war verschlüsselt.
Wer Ohren hat zu hören, der höre! Der Vater wird verstehen.
Bonifatius behielt die seltsame Botschaft für sich, die er im Laufe der Zeit zu entschlüsseln gedachte. Dann aber gewann er wohl immer mehr die Erkenntnis, dass es besser sei, seine Enthüllungen niemals nach außen dringen zu lassen. Denn er wusste sehr wohl, was eine Veröffentlichung für die Kirche bedeuten würde. Ganz abgesehen davon machte die Botschaft ihm auch unmissverständlich klar, dass geschehen würde, was vorgesehen ist, und alles zu seiner Zeit.“
Henri nahm zur Kenntnis, dass Pierre ihm atemlos zuhörte.
„Allerdings hatte Bonifatius zu einem Zeitpunkt, als er die Tragweite seines Tuns noch nicht abschätzen konnte, einem Mann der Kirche gegenüber etwas über die geheime Botschaft erzählt. Als er den Sinn der Botschaft glaubte verstanden zu haben, hoffte er inständig, dieser Mann würde schnell wieder vergessen haben, was er ihm anvertraut hatte. Zumindest glaubte er, auf dessen Verschwiegenheit zählen zu können.
Aber Bertrand de Got vergaß niemals etwas. Er hatte Blut geleckt und wollte herausfinden, was dieses grünäugige, rothaarige Kind, das er schnell als Ursprung des Geheimnisses ausfindig gemacht hatte, dem ihm verhassten Bonifatius anvertraut hatte. Er witterte eine Möglichkeit, dieses Geheimnis eines Tages für sich nutzen zu können. Denn wenn er anfangs auch nicht genau wusste, worum es sich dabei handelte, so ließ ihn das geheimnisvolle Gehabe des Papstes etwas dahinter vermuten, das seiner eigenen Gier nach Macht und Geld entgegen kam.
Auch de Nogaret hatte durch eine Indiskretion Wind davon
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