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Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Mayer
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„Ich finde das gar nicht und möchte es behalten. Baust du mir einen Käfig dafür, Vater?“
    „Die Leute hier fürchten sich davor, dass noch mehr dieser Tiere kommen, weil sie alles kahl fressen, was ihnen vor die Kiefer kommt“, erklärte Albert seinem Kind und zog es auf seine Knie.
    „Die Jungen im Dorf haben gesagt, ich sei fast so mutig wie sie, weil ich mich getraut habe, die Heuschrecke mit bloßen Händen zu fangen“, hörte er die Kinderstimme vor sich fröhlich weiterplappern. „Was erstaunlich sei, wo ich doch ein Mädchen bin.“
    Albert strich ihr liebevoll über die lockigen rotgoldenen Haare. Sie hatte wahrhaft viel von ihrer Mutter geerbt.

    Der italienische Weinhändler in Siena setzte eine wohlüberlegte Nachricht auf, die er einem seiner engsten Freunde zukommen lassen würde: Henri de Vincennes, genannt Henri le Loup.
    Er fügte diesem Schreiben eine Notiz für die Frau an, die zeitlebens seinem persönlichen Schutz vertraut hatte, und die er in der Obhut des Großmeisters gut aufgehoben wusste: an Sarah Elisabeth, Comtesse von Angelâme. Roses Mutter.
    Sie war keinesfalls beim Brand ihrer Burg ums Leben gekommen, sondern hatte sie längst zuvor verlassen, um bei den Männern von Saint-Germain-des-Prés Zuflucht vor ihren Verfolgern zu finden. Sarah Elisabeth hatte mit ansehen müssen, wie Abgesandte des neuen Großinquisitors ihren Beichtvater und langjährigen heimlichen Geliebten quälten, bis er sich völlig verzweifelt von den Zinnen der Burg stürzte, weil er keinen anderen Ausweg mehr wusste. Mit Sarah Elisabeth zusammen war auch Agnès nach Saint-Germain-des-Prés geflohen, bevor sie den grausamen Nachstellungen des wahnsinnigen Guillaume Imbert erlegen wäre.
    Mit seiner Notiz also forderte er Sarah auf, das Grabtuch, dessen derzeitigen Verbleib sie wohl kenne, an die Witwe Geoffroy von Charnays schicken zu lassen, die zur gleichen Zeit über andere Wege erführe, was damit zu geschehen habe.
    Das Grabtuch wurde einige Jahrzehnte später von Madame de Charnay der Öffentlichkeit vorgestellt, und sollte bis in die ferne Zukunft hinein Rätsel aufgeben.
    Sarah Elisabeth.
    Der Weinhändler drückte sein Siegel auf das Schreiben, bevor er es seinem Vertrauten zur Weiterleitung übergab.
    Sarah Elisabeth. Geliebte Schwester.
     
    Die Zeit wird ein Zeichen setzen und die Zahl der verlorenen Unschuld nach zwei Mal der Zahl der Weisheit vor drei Mal die Zahl der Weisheit stellen.
    Dieser Tag wird die Wahrheit gebären für alle, die nach ihr suchten.
     

London im Jahre des Herrn 1316
    Dreizehn Jahre waren vergangen, seitdem Pierre de Mézeray in die Dienste des Königs von Frankreich getreten war, nach dessen plötzlichem Tod er aus verständlichen Gründen schleunigst zunächst Paris und Louviers, und schließlich sogar das Land verlassen hatte. Er musste zugeben, dass die Bruderschaft ihm sämtliche Wege geebnet hatte, damit er nach seinem gelungenen Anschlag auf den Frankenkönig unerkannt und gefahrlos fliehen konnte.
    Pierre hatte sich von dem Gelde, das ihm vor seiner Überfahrt nach England ausgehändigt wurde, ein Haus in London gekauft, in das er sich mit einem Diener zurückzog. Die englische Gesellschaft interessierte ihn wenig, das Wetter fand er unerträglich, und an das Essen musste er sich erst gewöhnen. Was ihm an den Engländern jedoch gefiel, war ihre Einstellung den Templern gegenüber. Man verfolgte sie nicht wie auf dem Festland, sondern legte ihnen bestenfalls nahe, sich in ein Kloster zurückzuziehen und sich unauffällig zu benehmen.
    Die in Frankreich üblichen Folterungen gab es auf der Insel nicht: Niemand fand sich bereit, dieses Handwerk auszuüben. Außerdem kümmerte sich Eduard II. ohnehin nicht viel um die Machenschaften seines französischen Schwiegervaters, zu dem er so gut wie keinen Kontakt pflegte.
     
    Im September des Jahres 1316 bekam Pierre Besuch von einigen Herren, die sich auf die bekannte Weise auswiesen und ihn für die kommenden Monate nach Schottland schickten, nach Kirkcaldy in Fife, wo immer das auch sein mochte.
    Pierre war wütend. Mit seinen inzwischen dreißig Jahren fühlte er sich langsam zu alt dafür, nur auf gelegentliche Anweisungen dieser Leute zu warten. Ständig wiederkehrende Krisen, die seine unsichere Situation, das Warten auf Unbestimmtes und der notgedrungene Müßiggang ihm bereiteten, bewältigte er in zunehmendem Maße nur noch mit äußerster Konzentration auf seinen Glauben und sein nach wie vor eisernes

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