Die Rose von Angelâme (German Edition)
Julien, dass dessen Künstlerherz sichtbar höher zu schlagen begonnen hatte, seit er sich der wundervollen Ansicht bewusst wurde, die sich ihnen bot.
Julien hatte sich die ganze Zeit über in Schweigen gehüllt, und nach Maries Ansicht mehr bei den Männern aufgehalten als unbedingt notwendig gewesen wäre. Ab und zu unterhielt er sich im Plauderton mit Veronique, aber nur ganz selten mit Marie, die sich anfangs darüber geärgert hatte. Im Laufe der Zeit hatte sie begriffen, dass es den anderen reichlich ungewöhnlich vorkommen musste, diesen jungen Maler mit in die Toskana zu nehmen. Noch seltsamer wäre es erschienen, hätte er sich über Gebühr hinaus mit ihr beschäftigt.
Schließlich sollte ja der eigentliche Sinn und Zweck dieser Reise nicht gleich und nicht jedem bekannt werden. Offiziell hatte Marie beschlossen, ihr Gut in Siena zu besuchen, um mit dem Verwalter über einen möglichen Verkauf zu verhandeln. Julien war gebeten worden mitzureisen, damit er von dort ein paar Skizzen anfertigte, die sie als Erinnerung haben wollte.
Allerdings beschäftigte Marie gelegentlich die Frage, ob sein Schweigen nicht darin begründet lag, dass Jeanette nicht mitkommen durfte? Vielleicht träumte er lieber mit offenen Augen von diesem Mädchen, als dass er sich mit ihr, Marie, beschäftigte? Denn dass da etwas war zwischen den beiden schien ihr offensichtlich.
Marie ärgerte sich. Was für Gedanken gingen ihr da nur durch den Kopf! Weshalb beschäftigte sie sich mit Dingen, die ihre Dienstboten betrafen! Eine ihrer Dienstboten. Und einen dahergelaufenen Maler.
Trotzdem: Sie war verärgert über sein Verhalten.
Die Straße zu ihrem Reiseziel führte sie schließlich in einem sanften Bogen an der Stadt vorbei, die sich auf den drei Höhenrücken vor den Ausläufern des Chianti erhob. Majestätisch stand der Turm des Doms aus schwarzem und weißem Marmor über den Dächern der Häuser. Auf einem der beiden anderen Hügel konnte sie die Kirche S. Francesco ausmachen. Marie erinnerte sich an die engen Gassen und vielen Treppen, die von den Hügeln herunter zum Piazza del Campo führten. Il Campo, mit dem roten Backsteinpflaster und den hellen Travertinstreifen, die sein muschelförmiges Aussehen noch unterstrichen, war Marie noch recht gut im Gedächtnis. Ihr Vater hatte sie damals mit in die Innenstadt genommen, und sie hatte es genossen, sich zwischen den Marktständen, den Händlern und Dienstboten aufzuhalten und hier einen reifen Apfel, da eine rotgoldene Traube geschenkt zu bekommen. Sie hatte auch beobachtet, wie die Pferde unten am tiefsten Punkt des Platzes getränkt wurden, wie Geld gewechselt und um wertvolle Handelsgüter gefeilscht wurde.
Siena war für sie eine Stadt voller Leben und Geschäftigkeit gewesen, und sie liebte sie noch immer. Auf dem Rückweg würde sie versuchen, wenigstens drei, vier Tage hier zu verbringen. Gedankenverloren schwelgte sie bereits in ihrer Vorfreude.
Schließlich erreichten sie das Gut. Es lag weithin sichtbar auf einem der sanften Hügel zwischen sorgfältig gepflegten Rebenfeldern, Olivenhainen und den typischen Kastanienwäldern der Toskana.
Das Gut war umgeben von einer Mauer aus unbehauenen Steinen, auf die der gut befestigte, von Pinien und Zypressen gesäumte Weg in einem weiten Bogen zulief. Ein offener Torbogen lud förmlich zum Besuch ein, Marie schnalzte mit der Zunge, um die Pferde ein bisschen anzutreiben.
Ein paar halb nackte, braun gebrannte Kinder liefen ihnen fröhlich rufend und winkend aus dem Innenhof entgegen, und als sie das Tor passiert hatten, tauchte ein aufgeregt gestikulierender Mann auf, der Maries Pferd am Zügel nahm und den kleinen Tross zum Stehen brachte.
Julien half Marie aus dem Sattel. Sie war so gefangen von den Eindrücken, die sie in den letzten Stunden aufgenommen hatte, dass ihr nur noch danach zumute war, sich irgendwo ein stilles Plätzchen zu suchen und sich auszuruhen. Sie wollte bei einem Glas Wein, einem Stück frisch gebackenen Brotes und einer Scheibe köstlichen toskanischen Käses sitzen und alle Sinne von der Ausstrahlung dieses göttlichen Fleckchens Erde berauschen lassen.
Der Hausherr erschien in der Tür des Hauptgebäudes. Als er Marie erkannte, begrüßte er sie auf das Herzlichste und nahm sie vor Glück strahlend in die Arme. Mit vielen Worten und Gesten lud er sie ein, ihm zu folgen, und gab knappe Anweisungen an die inzwischen neugierig auf dem Hof erschienenen Bediensteten, sich um Pferde und Gepäck zu
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