Die Rose von Angelâme (German Edition)
damit?“
„Das Wappen.“
Er hielt die Fackel ein wenig höher. Marie sah es. Das Wappen stellte einen Bären dar.
Signore Benetti war ebenfalls neben sie getreten und sah zu dem Wappen hinauf.
„Das ist ein sehr altes Wappen“, erklärte er. „Das Wappen meiner Familie.“
„Wie die Rose?“ Julien senkte die Fackel. Die Blicke der beiden Männer trafen sich, und Marie glaubte, einen Ausdruck der Überraschung in den Augen des Verwalters aufglimmen zu sehen. Es konnte jedoch auch sein, dass es lediglich der Widerschein des flackernden Lichts war.
„Ihr kennt Euch mit Heraldik aus?“, fragte Signore Benetti den jungen Mann anstelle einer Antwort.
„Ein wenig. Als Maler kommt man zwangsläufig damit in Berührung“, antwortete Julien vage und wandte sich dann an Marie. „Demoiselle, gestattet mir, mich zurückzuziehen. Ich bin müde.“
Marie nickte ihm zu.
„Natürlich, geht ruhig. Ich werde mich ebenfalls auf mein Zimmer begeben.“
Der Verwalter verneigte sich vor ihr.
„Ich wünsche Euch eine gute Nacht“, sagte er und lächelte ihr zu. „Wir sehen uns morgen!“
Sie hatten sich in der Bibliothek an den dunklen, auf Hochglanz polierten, mit Intarsien eingelegten Kastanienholztisch gesetzt, der die Mitte des Raumes dominierte. Zunächst hatten sie über die wertvollen Bücher gesprochen, die hier untergebracht waren. Marie konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, dass diese Bibliothek so groß war, was vielleicht daran lag, dass sie aus mehreren, hintereinander liegenden Räumen bestand, und sie als kleines Mädchen lediglich einen davon kennengelernt hatte.
„Vermutlich diesen hier. Es ist der Einzige, der sich heizen lässt“, überlegte der Verwalter, als sie ihn darauf ansprach. „Soweit ich mich erinnern kann, seid Ihr mit Eurem Vater im Spätherbst hergekommen, und da war es sicher schon empfindlich kühl.“
Marie sah zu den Folianten hinüber, die hinter Signore Benetti auf wenigstens sieben Ebenen in das raumhohe Regal sortiert waren.
„Mein Vater hatte ähnliche“, sagte sie und zeigte auf die schlanken, hohen Buchrücken.
„Diese hier gehörten ebenfalls ihm. Jetzt sind es die Euren.“
„Kurz vor seinem Tod scheint er sich einige von hier besorgt zu haben“, begann Marie vorsichtig, auf das eigentliche Thema zu kommen. „Sicher wisst Ihr davon.“
„Natürlich. Er hat eine ganze Reihe Unterlagen von mir angefordert, die ich ihm per Boten zukommen ließ.“
Marie hatte gehofft, dass er auf Einzelheiten einging, was ihr eine Weiterführung des Gesprächs erleichtert hätte. Sie wollte keinesfalls schlafende Hunde wecken. Andererseits wollte sie jetzt endlich Antworten auf einige Fragen haben, die sie so lange schon beschäftigten.
„Das Arbeitszimmer meines Vaters ist ausgebrannt, dabei sind wertvolle Unterlagen zerstört worden.“
„Ich habe davon gehört. Es tut mir sehr leid.“
„Gibt es hier Kopien der Dokumente, die wir auf Angelâme hatten? Es freut mich nämlich zu sehen, dass der größte und weitaus wertvollste Teil unserer Bibliothek sich offenbar hier befindet.“
Der Verwalter nickte.
„Es gibt einige Kopien von Unterlagen, die Euer Vater anfertigen hat lassen, bevor sie verschickt wurden. Er befürchtete, die eine oder andere könne auf dem Weg von Siena nach Angelâme oder umgekehrt verloren gehen. Meistens ließ er sich nur die Kopien schicken, die Originale verblieben hier. Erinnert Ihr Euch an etwas Bestimmtes?“ Er machte eine ausladende Geste, mit denen er die umfangreiche Bibliothek zu umfassen schien.
„Nun ja, er hat sich in den letzten Tagen seines Lebens mit Gerichtsprotokollen aus dem 14. Jahrhundert beschäftigt, die allerdings nicht vollständig gewesen zu sein scheinen.“
„Sind sie ebenfalls verbrannt?“, wollte Signore Benetti wissen, der sie aufmerksam musterte.
„Zumindest habe ich keine Spur von ihnen gefunden, nachdem die Reste des Zimmers aufgeräumt worden sind“, antwortete Marie vorsichtig.
„Oh.“ Mehr sagte er nicht.
Marie suchte angestrengt nach Worten.
„Diese Protokolle sind für mich hochinteressant. Ich wusste bislang nicht, dass ein Mitglied meiner Familie vor fünfhundert Jahren auf dem Scheiterhaufen starb.“ Sie sah ihn abwartend an. „Allerdings fehlten einige Seiten. Kann ich denn die Kopien der Protokolle sehen, die noch hier sind?“
„Sicherlich, Sie gehören Euch.“ Er lächelte ihr vielsagend zu. „Außerdem befinden sich hier nicht nur die Euch fehlenden
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