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Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Mayer
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ganze Atelier um sie zu drehen und nach hinten zu kippen schien. Marie griff instinktiv nach irgendetwas, das ihr Halt gab, bevor es schwarz vor ihren Augen wurde.
    Julien hatte gesehen, wie sie mit einem Mal kreidebleich geworden war und die Augen verdrehte, und war mit einem Satz bei ihr, gerade rechtzeitig, um sie aufzufangen, bevor sie zu Boden glitt.
    Er nahm ihren wie leblosen Körper auf seine Arme und trug sie hinüber zu dem kleinen Canapé, das an der Wand stand, und auf das er sie vorsichtig bettete. Schnell öffnete er ihr Mieder ein Stückchen weit und holte ein kleines Fläschchen aus seiner Ledertasche, die neben dem Eichentisch auf dem Boden stand. Er zog den Stöpsel heraus und roch kurz daran. Dann ging er zu Marie hinüber und hielt ihr das Fläschchen unter die Nase. Marie rührte sich ein wenig, dann zuckten ihre Nasenflügel, und schließlich schlug sie die Augen auf. Sie starrte Julien vollkommen verständnislos an, bevor sie begriff, was geschehen sein musste.
    „Ihr hattet einen kleinen Schwächeanfall“, erklärte Julien sachlich. „Bleibt noch einen Augenblick so liegen.“ Er hasste die Mode, die Frauen zwang, ihre Körper auf eine Weise einzuschnüren, wie sie ihnen offensichtlich nur schaden konnten. Da hatten es die einfacheren Mädchen des unteren Standes doch etwas leichter. Zumindest, was die Mode betraf.
    Er verkorkte schweigend das Riechfläschchen wieder und verstaute es in seiner Tasche. Es hatte ihm bereits mehrmals gute Dienste geleistet, wenn den Damen, die während seiner Arbeiten stundenlang still sitzen mussten, plötzlich die Sinne schwanden.
    Marie hatte sich aufgesetzt und schaute an sich hinunter. Dabei entdeckte sie das geöffnete Mieder. Bevor sie etwas sagen konnte, sagte Julien schnell:
    „Ihr seid nicht die erste Dame, der so etwas passiert. Die einfachsten Mittel sind jedoch seit jeher Riechsalz und das Öffnen beengender Kleidungsstücke.“ Er hatte keine Lust, sich mit ihr weiter darüber zu unterhalten. „Ihr könnt sicher sein, dass ich keinen Augenblick lang vergesse, dass Ihr eine Dame seid.“
    Damit wandte er sich um und verließ das Atelier, damit sie ihre Kleidung wieder in Ordnung bringen konnte. Mochte sie die Vieldeutigkeit seiner Worte verstanden haben oder nicht.
    Wütend stand er mit vor der Brust verschränkten Armen auf dem Flur. Sie mochte ein verwöhntes adeliges Kind sein, diese Demoiselle, überlegte er. Sie entsprach jedoch keinesfalls dem üblichen Bild der jungen Damen ihrer Zeit. Dafür war sie viel zu neugierig, viel zu offen und viel zu direkt. Sie bemühte sich ständig darum, gewisse Regeln einzuhalten und deren Einhaltung zu fordern. Julien jedoch glaubte zu wissen, dass ihr diese Dinge nur Mittel zum Zweck waren, um sich elegant aus misslichen Lagen zu befreien oder um ihre Interessen zu wahren.
    Sie verwirrte ihn maßlos.
    Er schüttelte den Kopf über seine Gedanken: Gerade hatte er sich doch noch über sie geärgert, und das mit gutem Grund. Jetzt begann er bereits wieder, sie verstehen zu wollen.
    Genau in diesem Augenblick erschien Jeanette mit einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen und huschte mit einem vielsagenden Augenaufschlag an ihm vorbei.
    Sie war vielleicht nicht von Adel, aber sie war hübsch, sehr gescheit und fleißig, und sie war ausgesprochen liebenswert.
    Julien zwinkerte ihr verschwörerisch zu, und Jeanette verschwand in einem der angrenzenden Zimmer.
    Da erschien Marie in der Ateliertür. Ihr Gesicht hatte wieder eine leichte rosa Färbung angenommen, die noch etwas intensiver wurde, als sie an ihm vorbeigehen wollte.
    Es war ihr anzusehen, wie peinlich ihr die ganze Situation war, das wusste sie. Deshalb gedachte sie auch, so schnell wie möglich auf ihr Zimmer zu gehen und nach jemanden vom Personal zu läuten.
    In den Augenwinkeln nahm sie gerade noch die Bewegung wahr, mit der Jeanette im angrenzenden Zimmer verschwand. Marie warf einen prüfenden Blick auf den jungen Mann, der jedoch mit ausdrucksloser Miene dastand und auf ihre weiteren Anweisungen zu warten schien. Ihr war nicht entgangen, dass ein gewisses Knistern in der Luft lag, das seinen Ursprung wohl im Verschwinden Jeanettes in jenem Zimmer hatte.
    Marie raffte ihre Röcke und ging zielstrebig auf die Tür zu, hinter der das Mädchen verschwunden war. Sie stieß sie auf und sah hinein.
    „Was hast du hier zu suchen?“, fragte sie.
    „Ich sollte den Raum lüften und die Vorhänge abnehmen“, entgegnete Jeanette mit fast

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