Die Rose von Angelâme (German Edition)
kümmern.
Er führte seine Gäste durch einen Flur, vorbei an mehreren Räumen, deren Türen weit offen standen, bis sie in einen weiteren gepflasterten Innenhof kamen, dessen Mittelpunkt ein Kühle spendender Springbrunnen bildete. Schnell waren zwei Tische (einen davon deckten zwei Mägde mit allen möglichen Speisen und Getränken) und mehrere Stühle aufgestellt, und nachdem die Reisenden ihre Hände in das kühle Wasser des Brunnens getaucht und ihre erhitzten Gesichter erfrischt hatten, nahmen sie gerne die Einladung des Verwalters an, sich an den aufgetischten Gerichten gütlich zu tun.
„Was verschafft mir die Ehre Eures überraschenden Besuchs?“, fragte der Hausherr schließlich, als er sicher war, dass seine Gäste ihren Hunger gestillt hatten, und nur noch das appetitliche Aussehen der Käsestückchen, der eingelegten Oliven, der knusprigen Biscotti di Prato und des herrlichen Weins sie zum Naschen verführte.
„Darüber möchte ich mit Euch alleine sprechen“, antwortete Marie und erhob sich. Die übrigen taten es ihr nach. „Ihr könnt noch hier bleiben“, sagte sie. „Lasst euch eure Schlafräume zeigen und ruht euch erst einmal aus. Ich werde nach euch rufen lassen, sollte ich euch brauchen.“
Ihr Blick fiel auf Julien.
„Ihr könnt jederzeit und überall herumgehen und Eure Zeichnungen und Skizzen anfertigen“, sagte sie. „Aber lasst mich wissen, wo Ihr hingeht, falls ich Eurer bedarf.“
Julien verbeugte sich leicht und sah ihr dann nach, wie sie am Arm des Verwalters wieder zurück ins Haus ging. Es war ihm nicht entgangen, dass dieser gut aussehende Mann Marie immer wieder bewundernde Blicke zugeworfen hatte. Er mochte gut und gerne zwanzig Jahre älter sein als sie, und hatte die Ausstrahlung eines erfolgreichen Geschäftsmannes, die ihn zusätzlich attraktiv wirken ließ.
„Weißt du, wie dieser Hausherr heißt? Ich habe einfach nicht hingehört, als er sich vorstellte“, fragte er Louis, der sich bereits wieder gesetzt hatte und gerade ein Stückchen Käse in den Mund schob.
„Sicher. Das ist Signore Benetti, der Verwalter des Gutes.“
„Benetti?“
„Ephraim Benetti.“ Ein weiteres köstliches Stückchen Käse verschwand in seinem Mund.
Julien nickte. Ephraim. Seine Vermutungen begannen bereits, sich zu bestätigen.
Signore Benetti führte Marie zu den Gastzimmern, die er in aller Eile für sie herrichten ließ, und scheuchte die beiden Mädchen hinaus, die sich noch am riesigen Bett in der Mitte des Raums zu schaffen machten.
„Erinnert Ihr Euch noch an diesen Raum?“, fragte er und sah sie erwartungsvoll an.
„Ja natürlich. Hier hat mein Vater gewohnt, als ich damals mit ihm auf dem Gut war.” Sie wandte sich um und schaute durch die offene Seitentür in den angrenzenden Raum. „Das hier war damals mein Zimmer.“
Signore Benetti schmunzelte.
„Diese Tür musste immer offen bleiben, weil Ihr Euch vor dem Gewitter gefürchtet habt, das in der ersten Nacht über unser Land zog.“
„So ist es.“
„Ich nehme an, Ihr möchtet, dass Eure Zofe diesmal das Zimmer nebenan bewohnt, damit sie Euch immer gleich zu Diensten sein kann, wenn Ihr sie braucht?“
„Ja, vielen Dank.“
„Euer Gepäck steht bereit, in den Schränken verstaut zu werden. Sagt Bescheid, falls Ihr zusätzlich jemand aus meinem Haushalt braucht.“
„Nochmals vielen Dank.“
„Es wäre mir eine große Ehre, Euch und Eure Begleiter heute Abend zu einem Essen in diesem Hause einladen zu dürfen. Was auch immer der Grund für Euer Kommen sein möge: Darüber können wir uns morgen in aller Ruhe unterhalten.“
Marie stimmte ihm zu. Sie bat um zwei Mädchen, die ihr zur Hand gehen sollten, bis sie sich eingerichtet hatte, und ließ nach Veronique schicken, damit diese ebenfalls half und sich dann um ihre Herrin kümmerte.
Spät am Abend, als das üppige Mahl beendet war und das kleine Völkchen, welches sich um den riesigen Tisch im Hof des Anwesens versammelt hatte, um zusammen mit den Gästen zu essen, zu trinken, zu erzählen und schließlich auch zu singen, sich langsam verzogen hatte, entdeckte Marie den Maler, wie er im Schein einer Fackel den Torbogen betrachtete, durch den sie am Nachmittag hereingefahren waren.
Sie trat neben ihn.
„Was seht Ihr da?“, fragte sie neugierig und folgte seinem Blick mit den Augen, ohne jedoch etwas Außergewöhnliches entdecken zu können.
„Der Schlussstein des Bogens - könnt Ihr ihn sehen?“
„Es ist recht dunkel. Was ist
Weitere Kostenlose Bücher