Die Rose von Angelâme (German Edition)
wurde verbrannt, weil …“ Er horchte. Jemand hatte an die Tür geklopft. „Herein!“
Ein Bote öffnete die Tür und sagte etwas auf Italienisch, das Marie nicht verstand. Der Verwalter antwortete ihm und erhob sich dann.
„Signorina, leider muss ich Euch für einen Augenblick verlassen. Ich werde draußen dringend verlangt. Bitte, fühlt Euch hier zu Hause.“ Er machte eine Handbewegung zum Klingelzug neben der Tür. „Wenn Ihr etwas Bestimmtes aus der Bibliothek haben möchtet, schreibt es auf, ich suche es später für Euch heraus und lege es hier auf den Tisch.“
Mit einer leichten Verneigung verschwand er.
Marie erhob sich ebenfalls. Sie ging um den Tisch herum und blätterte vorsichtig in den Dokumenten, die er ihr gebracht hatte. Verflixt! Dass sie ausgerechnet jetzt unterbrochen wurden! Sie würde einfach später noch mal darauf zurückkommen.
Marie betrachtete die ledernen, mit Motiven aus dem Weinbau geprägten Buchdeckel und das kunstvoll verzierte Lederband, mit dem sie verschlossen werden konnten. Seltsam genug, dass ein so makabres Dokument dermaßen aufwendig behandelt worden war, denn offensichtlich war der Einband sehr alt. Sie zweifelte keinen Augenblick lang daran, dass hier drin auch die restlichen Originale aufgehoben worden waren, die sie unter ihres Vaters Schreibtischauflage gefunden hatte, und die jetzt für immer verloren schienen.
Sie läutete und bat darum, nach Julien zu rufen, der kurze Zeit später erschien. Aufgeregt erzählte sie ihm, was sie bislang in Erfahrung gebracht hatte. Sie ließ ihn auch wissen, dass sie und Signore Benetti im entscheidenden Moment von einem Boten unterbrochen worden waren, der ihr den Hausherrn wegholte.
Julien hatte inzwischen einige der Dokumente überflogen und vorsichtig umgeblättert, als er plötzlich stutzte. Vor ihm lag ein Blatt, welches sich von den übrigen nicht nur in der Farbe unterschied, sondern vor allem auch dadurch, dass es mit einer wundervoll ausgearbeiteten Miniatur bemalt war, die wenigstens ein Fünftel der gesamten Seite in der oberen linken Ecke einnahm.
„Was ist das denn?“, fragte Marie und stellte sich neben ihn, um besser sehen zu können.
„Das ist ein Schriftstück, das in einem der nahe gelegenen Klöster gefunden wurde“, ließ sich die Stimme Signore Benettis vernehmen, der soeben wieder eingetreten war und die Frage gehört hatte. „Dieses Schriftstück beurkundet, dass ein Weinhändler namens Simon Anfang des 14. Jahrhunderts das Recht erhielt, die Herren des Lateran mit seinem Wein zu beliefern. Ein ungewöhnliches Dokument, da es sich bei diesem Herrn um einen Juden handelte.“
„Fürwahr ungewöhnlich“, bestätigte Julien und ließ seinen Blick auf Signore Benettis Gesicht ruhen. „Ein jüdischer Weinfachmann, der in der Toskana die Reben für den päpstlichen Weinbedarf zieht.“
„So ist es.“
„Gehe ich recht in der Annahme, dass Euer Vorname ebenfalls jüdischen Ursprungs ist?“, fragte Julien.
„Auch das ist richtig. Es wird Euch nicht verwundern zu erfahren, dass jener Simon einer meiner Vorfahren ist.“
„Hat mein Vater Euch für die Verwaltung seines Gutes eingestellt?“, fragte Marie stirnrunzelnd.
Der Signore bedachte sie mit einem vielsagenden Blick, der ihr erneut die Röte ins Gesicht zauberte. Er schien es nicht zu bemerken oder taktvoll zu übergehen.
„Nein. Er hat es mir abgekauft.“
„Abgekauft?“ Marie war deutlich überrascht.
Ephraim Benetti bat sie, sich zu setzen, und begann, ihr einen Teil seiner Geschichte zu erzählen, die damit endete, dass Maries Vater ihm das Gut abkaufte, ihn selbst aber als Verwalter bestellte. Ein ausgezeichneter Handel, wie sich herausstellte, und für beide Seiten so lukrativ, dass sich ein kleines Vermögen auf ihren jeweiligen Konten angesammelt hatte.
„Das heißt also, dieses Gut befand sich seit mehreren hundert Jahren im Besitz Eurer Familie, und Rose hat hier einen Teil ihrer Zeit bei Euren Vorfahren verbracht?“
„Genau so ist es.“
„Gut. Mir wird ewig rätselhaft bleiben, weshalb ein jüdischer Weinhändler Lieferant für den Lateran war.“
Der Signore lachte. „Dazuhin noch in einer Zeit, während der es diesen Menschen bestenfalls erlaubt war, Geld mit überhöhten Zinsen zu verleihen“, ergänzte er.
„… und meisterhaft Diamanten zu schleifen“, vollendete Julien den Satz.
„Diamanten zu schleifen?“
„Diamanten und alle anderen Edelsteine, ja. Niemand konnte das besser als die
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