Die Rose von Angelâme (German Edition)
offensichtlich kurz davor, die Geduld zu verlieren, und war sichtlich wütend darüber, dass sich dieses Weibsbild vor ihm und zwölf weiteren Männern überlegen zeigte.
„Es ist an mir, Fragen zu stellen, hohe Frau, nicht an Euch!“
Seine Stimme war gefährlich leise geworden. Sie konnte seine Wut körperlich spüren.
„Ich weiß von nichts dergleichen.“
„Nun, dann will ich deutlicher werden. Ihr habt dem Vernehmen nach eine Dirne bei Euch in Diensten, die ohne notwendige Zulassungen die Aufgaben einer Wehmutter ausführt.“
Rose erstarrte. Agnès? Was um alles in der Welt tat sie hinter ihrem Rücken?
„Kennt Ihr so eine Weibsperson?“
„Nein.“
„Ich dachte mir schon, dass Ihr so antworten werdet. Deshalb helfe ich Euch ein wenig weiter.“
Er lehnte sich auf seinem mit Leder bespannten Stuhl zurück und musterte sie abschätzend, als erwäge er sorgfältig, wie er ihr seine Informationen wirkungsvoll darlegen könnte. Die Rückenlehne überragte seinen Kopf um eine knappe Handbreit und verlieh ihm für einen Augenblick Würde und Macht.
Dann beugte er sich wieder vor, blätterte mit wichtiger Miene in den Pergamenten vor sich auf dem Tisch und fasste die junge Frau erneut fest ins Auge.
„Es heißt in diesen Aussagen ehrbarer Bürger“, bei diesen Worten wedelte er unbestimmt mit der Hand über den Pergamenten, „dass diese Weibsperson, von der die Rede ist, an anderen Frauenzimmern Handlungen vornimmt, die nur Wehmüttern vorbehalten sind, und“, er begann vorzulesen, was auf einem der Pergamente stand, das er herausgezogen hatte: „dies in einer Weise, die durch die Gesetze von Kirche und Staat aus gutem Grunde verboten sind. Dazu gehört, die Frauen von unerwünschter Leibesfrucht zu befreien, und mit Tränken und Salben eine weitere Schwangerschaft bei ihnen zu verhindern.“
Rose starrte ihn entsetzt an. Das traute sie Agnès ohne Weiteres zu. Sie wusste auch, dass jene zwar keine Wehmutter nach den Gesetzen war, jedoch alles Wissen hatte, das man für einen solchen Beruf brauchte. Immer wieder hatte man ihr in der Stadt – in Tours! – ohne weitere Erklärung ihre Zulassung zur Ausübung einer Tätigkeit als Wehfrau verweigert.
„Könnt Ihr Euch vorstellen, um wen es sich hierbei handelt?“
Rose schüttelte den Kopf. Sie hatte die Lippen zu schmalen, weißen Strichen zusammengepresst und schwieg.
„Es ist uns des Weiteren zu Ohren gekommen, dass Ihr selbst hin und wieder die Dienste dieser Weibsperson in Anspruch genommen habt. Ist das richtig?“
Rose erstarrte. Was wussten diese Männer und von wem?
„Nun?“
„Da ich nicht weiß, von wem Ihr sprecht, kann ich nichts von dem bestätigen, was Ihr mir soeben gesagt habt“, sagte sie dennoch mit fester Stimme. In ihrem Kopf rasten die Gedanken.
„Ist es nicht vielmehr so, dass Ihr diese Weibsperson schützt?“
„Warum sollte ich so etwas tun?“
Sie war nach außen hin noch immer in der Lage, Herrin ihrer Situation zu bleiben, während sie verzweifelt versuchte, eine Antwort auf die Fragen in ihrem Kopf zu finden.
„Weil Ihr guten Grund dafür habt, hohe Frau!“
„Davon weiß ich nichts. Wie Ihr seht, bin ich guter Hoffnung.“
Sie verstummte. Keiner hörte ihr zu. Das Blut in ihrem Kopf begann zu pochen.
Der Richter winkte einen der Herren hinaus, und dieser kam kurz darauf mit einem Pfaffen wieder herein, den er ungeduldig vor sich herschob.
Rose erschrak. Es war der Dorfgeistliche, der regelmäßig auf die Burg kam und dort auch die sonntäglichen Andachten zu halten pflegte.
„Ihr?“, fragte sie entsetzt. Der Pfaffe wich ihren Blicken aus und starrte zu Boden.
„Sprecht, Vater! Was habt Ihr uns zu berichten?“, herrschte der Hohe Richter ihn an. Der Geistliche warf einen verzweifelten Blick zu Rose hinüber, dann senkte er den Kopf erneut und begann, leise etwas zu erzählen.
„Lauter! Wir wollen alle hören, was Ihr uns zu berichten habt!“
„Nun, ich weiß, dass eine bestimmte Weibsperson am Hofe zu Angelâme hin und wieder ohne allerhöchste Erlaubnis die Aufgaben einer Wehmutter übernimmt.“
„Weiter?“
„Sie soll Frauen von lästiger Leibesfrucht befreit und in unzüchtiger Weise noch andere Handlungen an ihnen vorgenommen haben.“
„Die Nämlichen sind?“
„Das weiß ich nicht, es ist Weibergeschwätz.“
„Habt Ihr Zugang zu den Kammern der alten Burgherrin?“
„Ja, ich bin ihr Beichtvater.“
Rose fuhr auf.
„Was erlaubt Ihr Euch!“
„Schweigt, Weib,
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