Die Rose von Angelâme (German Edition)
Stadt an. Ihre Begleiter führten sie in einen geräumigen Innenhof, wo man sie bat, auf einer Bank Platz zu nehmen und zu warten. Ihre Tasche hatte man neben sie gestellt. Nach einer guten Zeit kam ein Gerichtsdiener, der sie in barschem Ton aufforderte, mitzukommen.
„Die Tasche lasst hier, die braucht Ihr jetzt nicht“, sagte er schnell, als sie sich nach ihr bücken wollte.
Rose wurde in einen hohen Raum geführt, der an drei Seiten mit dunklem Holz vertäfelt war und an der vierten hohe, mit leinenen Tüchern verhängte Fenster hatte. In der Mitte stand ein großer runder Tisch, um den herum auf zwölf hochlehnigen Stühlen jeweils ein schwarz gekleidetes Mitglied des Rates saß. Ein dreizehnter, sehr aufwendig gearbeiteter Stuhl war frei geblieben. Als sich die Tür hinter Rose schloss, trat aus einer geschickt verborgenen Seitentür ein weiterer schwarz gekleideter Mann herein. Er ließ sich, nachdem sich alle vor ihm erhoben hatten, auf dem frei gebliebenen Stuhl nieder. Die Übrigen setzten sich wieder.
„Ihr also seid Rose von Angelâme“, sagte der neu Hinzugekommene und betrachtete sie eingehend von oben bis unten.
„Die bin ich allerdings, Herr“, antwortete Rose. „Und wer seid Ihr?“
„Ich bin Alphonse Fabergé, der Richter dieses Hauses, der Oberste Richter von Tours“, stellte er sich vor. „Ihr wisst, weshalb wir Euch hergebeten haben?“
„Niemand hat mich gebeten, Herr. Ich wurde gezwungen herzukommen!“
„Es ist mir bereits zu Ohren gekommen, dass Ihr ein recht eigenwilliges Frauenzimmer seid. Das wird Euch hier nicht viel nützen.“ Er schaute in die bislang reglosen Gesichter der übrigen Männer, über die jedoch sofort die Andeutung eines wissenden Lächelns glitt. „Wir haben schon andere Weibspersonen zur Raison gebracht!“
Rose sah ihn herausfordernd an.
„So lasst mich wissen, weshalb ich hier bin, denn wir befinden uns in der Vorbereitung einer längeren Reise, die meiner Anwesenheit unverzüglich bedarf.“
„Nun, so wollen wir die hohe Dame nicht länger warten lassen“, sagte der Richter und ließ sich einige Unterlagen reichen, die auf einem anderen Tisch bereitgelegen hatten.
„Es ist uns zu Ohren gekommen, dass am Hofe zu Angelâme einige Dinge im Argen liegen“, begann er und gebot ihr mit herrischer Miene zu schweigen, als Rose den Mund zum Protest öffnete. „Ihr werdet erst reden, wenn ich Euch dazu auffordere!“, zischte er sie an. „Haltet Euer vorlautes Mundwerk im Zaum, denn Respektlosigkeit ist hier unter keinen Umständen angebracht, Weib!“
Rose starrte ihn wütend an. Ihr Oheim würde sich den Kerl hier schon noch vornehmen, wenn sie ihm von dieser ungeheuerlichen Behandlung erzählte. Ihr Mann hatte dazu mit Sicherheit ebenfalls etwas beizutragen.
„Wenn Ihr Euch schon so gut mit den Regeln des Anstands auskennt“, sagte sie mit hochgerecktem Kinn und eisiger Stimme, „so gebietet Euren Männern, mir einen Sitzplatz zu überlassen! Denn, Herr Oberster Richter, wie Ihr wohl seht, bin ich guter Hoffnung und werde Euren sicherlich hochinteressanten Ausführungen nicht mehr allzu lange stehend folgen können!“
Der Richter warf ihr einen erbosten Blick zu, dem sie entnehmen konnte, dass er schier an ihrer Unbeugsamkeit erstickte. Schließlich nickte er einem der anwesenden Herren mit wütendem Gesichtsausdruck zu, der mit eisiger Miene einen einfachen Holzhocker holte, auf dem sie sich niederließ.
„Es heißt, an Eurem Hofe seien die Sitten recht locker, Weib?“
„Ich bin Rose von Angelâme, Herr.“
Der Richter funkelte sie erneut böse an.
„Rose von Angelâme, beantwortet meine Frage!“
„Ich weiß nicht, was Ihr meint.“
Der Richter sog geräuschvoll Luft durch die Zähne. Rose stellte zufrieden fest, dass er sich nur mühsam beherrschte. Noch respektierte er ihren Ton und ihren Stand, wenn auch mit äußerstem Widerwillen. Die Aussicht, diese seltsame Situation innerhalb kürzester Zeit zu ihren Gunsten zu entscheiden, erfüllte ihre Brust mit Freude und Zuversicht.
„Nun, es gibt Hinweise darauf, dass eine der Damen -“ Er zögerte und warf einen schnellen Blick zu den Beisitzern auf der anderen Tischseite hinüber. „Nun, dass sie Künsten frönt, die von Kirche und Staat strengstens verboten sind!“
„Was für Künste sollen das sein und welche der Damen ist damit gemeint?“
Der Oberste Richter fasste sie streng ins Auge. Seine Gesichtszüge verhießen nach wie vor nichts Gutes. Er stand
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