Die Rose von Angelâme (German Edition)
dem König vor allem aufgrund jener Bedingungen vollkommen ergeben, die der Preis für seine Wahl gewesen sind“, wandte sich der Großmeister an seine Männer, die sich in der Halle um einen großen Tisch versammelt hatten. „Das ist die eine Sache. Die andere: Philipp ist trotz seines mehr oder weniger genialen Streichs mit den billigen Münzen nach wie vor sehr hoch verschuldet. Er scheint ein Auge auf die Schätze und Ländereien der Templer geworfen zu haben, wie mir einer meiner Vertrauensleute aus dem Umfeld des Königs zutragen ließ. Kein Wunder“, fügte er mit sarkastischem Unterton hinzu. „Schließlich ist die Währung des Ordens wesentlich härter als die von Königs Gnaden.“
Die Männer lachten leise. Sie kannten die Gerüchte, nach denen der Orden sogar über eine eigene Währung verfügen sollte, mit denen sie ihre weltweiten Geschäfte tätigten. Was natürlich blanker Unsinn war. Sie hatten jedoch interessante Wege gefunden, ihre Männer an jedem Punkt der ihnen bekannten Welt mit genügend Geldmitteln zu versorgen. Dazu händigten sie ihnen beglaubigte Papiere aus, mit denen sie unter genau abgesprochenen Bedingungen bei ihren Brüdern eine bestimmte Summe ausbezahlt bekamen. Ein sehr gut durchdachtes und ausgeklügeltes System, zumal es den Männern ermöglichte, ohne große Geldbeträge und damit ziemlich sicher reisen zu können.
„De Nogaret hat bereits vor über einem Jahr angefangen, in der Gegend um Agens Gerüchte über die Templer in Umlauf zu bringen, die ein gewisser Esquin de Floyran verbreitet haben soll, von dem niemals zuvor jemand hörte, und den auch niemand kennt, den ich nach ihm fragen ließ“, fuhr der alte Mann in seinen Ausführungen fort, „Ich halte das alles für Lügen, aber sie belasten die Templer sehr schwer. Der Kanzler wird diese Gerüchte und die finanzielle Lage des Landes nutzen, das Volk gegen die Brüder aufzuwiegeln. Man liefert lieber diese Männer als sich selbst einer Inquisition aus, die nach Erfolgen bei ihren perversen Hexenjagden lechzt. Das Volk sieht in diesem Vorgehen eine gute Gelegenheit, sich von eigenen Problemen abzulenken. De Nogaret ist ein Satansbraten, wie er im Buche steht. Wir wissen, dass er eiskalt über Leichen geht, wenn ihm dies nützlich erscheint. Dazu kommt ihm die Gier des Königs nach Geld und die des Volkes nach schauriger Abwechslung gerade recht. Er wird das eine geschickt mit dem anderen verbinden, und hinterher seine Hände in Unschuld waschen. Die Templer verfügen über unschätzbare Werte, die für den König ein zwingender Grund sein werden, die offensichtlich unlauteren Machenschaften des Kanzlers zu akzeptieren.“
Er sah sich in der schweigenden Runde seiner Männer um.
„Unsere Bruderschaft ist bislang weder für die Krone, noch für die Kirche von Interesse“, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, während seine gichtigen Hände mit den einstmals so schönen, schlanken Fingern die Falten seines Habits glatt strichen. „Noch nicht“, fügte er schließlich noch an.
Die Männer stimmten dem mit beifälligem Murmeln zu.
„Und so möge es auch weiterhin bleiben.“ Er schwieg, und die Männer warteten geduldig darauf, dass er weiterredete. „Das Schicksal der Jungfrau ist heute in unsere Hände gelegt worden“, sagte Montgelas unvermittelt.
Die Brüder starrten ihn in sprachlosem Entsetzen an.
„Die Templer wissen also um die Gefahr, in der sie sind, und haben ihren Anteil an unserer gemeinsamen Aufgabe in unsere Hände zurückgelegt.“ Er sah einen nach dem anderen an. „Wir können nicht mehr auf sie zählen.“
Er winkte einem der Jüngeren zu, der kurz nach draußen ging, um dann mit feierlicher Miene einen in weiche Tücher gewickelten Gegenstand auf dem Tisch abzustellen. Die Männer erhoben sich ehrfurchtsvoll. Montgelas wickelte sorgfältig die Tücher ab, und vor ihnen stand eine fein gearbeitete, vergoldete und mit Edelsteinen verzierte Schatulle, in dem sich ein unschätzbar wertvolles Kleinod befand, wie sie alle wussten.
Ein leises Raunen ging durch den Raum, und selbst Montgelas konnte nicht verhindern, dass ihm ein paar Tränen in die Augen traten.
Jemand begann, ein Gebet zu sprechen, und die anderen fielen mit rauen Stimmen ein. Dann hob Montgelas beide Hände, segnete die Männer und gebot ihnen, sich wieder zu setzen.
Jeder der Anwesenden kannte das Geheimnis der goldenen Schatulle, ohne sie jemals zuvor gesehen zu haben. Alle beschlich das Gefühl, vor etwas Großem das
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