Die Rose von Angelâme (German Edition)
sonst lasse ich Euch abführen und in einer unserer Zellen darüber nachdenken, wie Ihr Euch hier zu benehmen habt!“
Rose, die sich halb erhoben hatte, sank blass und mit stechenden Kopfschmerzen auf ihren Hocker zurück.
„Die alte Burgherrin ist krank“, sagte der Priester leise.
Der Richter lachte.
„Ich habe anderes gehört.“
Rose konnte der Unterhaltung nicht mehr folgen. Der Schmerz in ihrem Kopf raubte ihr fast die Besinnung. Sie glaubte plötzlich, in einen Strudel gerissen zu werden, der sie unaufhaltsam nach unten zog. Was in Gottes Namen war hier los? Was wollte man von ihr? Warum musste der Geistliche herkommen und über Dinge reden, die offensichtlich das Heilige Beichtgeheimnis verletzten? Was hatte ihre Mutter mit allem zu tun?
Nach einiger Zeit merkte sie durch das Hämmern in ihrem Kopf und den Schleier vor ihren Augen hindurch, dass alle sie ansahen. Jemand hatte sie wohl etwas gefragt, was sie überhört haben musste.
„Wir haben die Aufgabe herauszufinden, was hinter den Mauern des Hofes derer zu Angelâme geschieht. Wenn die vorliegenden Aussagen unbescholtener Bürger unzutreffend sein sollten, habt Ihr nichts zu befürchten. Wenn jedoch ein Funke Wahrheit dahinter steckt, verspreche ich Euch, dass wir alles unternehmen, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten.“
„Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht, Herr. Ich habe nichts mit dem zu schaffen, was meine Bediensteten treiben. Fragt sie selbst und lasst mich damit in Frieden.“
Das Sprechen fiel ihr schwer. Sie wünschte, Agnès wäre da und würde ihr ein Mittel gegen diesen höllischen Schmerz in ihrem Kopf geben.
Agnès! Warum war sie hier und nicht Agnès? Wie konnte sie Fragen beantworten an deren Stelle? Warum befragte man Agnès nicht selbst?
Als hätte der Richter ihre Gedanken gelesen fuhr er fort:
„Gut, dann werde ich deutlicher: Ihr und Eure Mutter werdet beschuldigt zu dulden, dass diese Weibsperson unerlaubt einen Beruf ausübt, der nur zugelassenen Wehmüttern zusteht. Des Weiteren ist zu untersuchen, inwiefern die Aussagen zutreffen, nach denen sowohl Ihr als auch Eure Mutter den Künsten der Hexerei zugetan seid und einige davon sogar selber ausübt.“
Rose erstarrte. Eine eiskalte Hand hatte sich auf ihren Rücken gelegt, und ein schlimmes Ziehen breitete sich in ihrem Becken aus. Das goldene Herz auf ihrer Brust brannte mit einem Mal wie Feuer.
Hexe!
Sie hatte plötzlich Angst.
„Vater“, wandte sie sich mit zitternder Stimme an den Geistlichen. „Ihr kennt uns alle, auch mich und meine Mutter.“
Der Angesprochene zuckte die Schultern.
„Dieser Mann hier hat unter Eid ausgesagt, davon Kenntnis zu haben, dass Eure Mutter sich mit Dingen beschäftigt, die allen Rechtschaffenen ein Dorn im Auge sein müssen! Außerdem“, er beugte sich etwas nach vorne. „Außerdem bitte ich Euch, Eure Haube abzunehmen.“
Rose schaute verwirrt von einem zum anderen.
„Meine Haube? Herr, ich bin eine verheiratete Frau und trage diese Haube aus gutem Grunde, wie Ihr wisst.“
„Ja, Eure Haube! Soll ich Euch helfen?“
„Nein.“
Rose löste mit zitternden Händen das Gebände und nahm die Haube ab, die ihr Haar züchtig verhüllten. Eine Flut rotgoldener Locken fiel über ihre Schultern und löste ein überraschtes Raunen unter den anwesenden Herren aus.
„Ihr seht also, dass unsere Zeugen nicht gelogen haben“, ließ der Richter selbstgefällig vernehmen und lehnte sich zurück. „Sie hat rotes Haar wie ihre Mutter!“
„Was soll das heißen?“, wollte Rose wissen.
„Das heißt, dass zweifellos auch die anderen Aussagen stimmen werden, die von denselben Zeugen stammen, die von Euren Teufelshaaren berichtet haben.“
Teufelshaare? Hexenwerk? Ihr schwindelte erneut.
„Nur weil Ihr gesehen habt, was jede meiner Zofen jeden Tag zu sehen bekommt, sollen darüber hinaus Dinge der Wahrheit entsprechen, von denen ich keine Kenntnis habe?“, fragte sie, mühsam die Übelkeit bekämpfend, die sich ihrer ermächtigt hatte.
„Weil es meiner Aufgabe entspricht.“
„Warum übernehmt Ihr die Aufgabe der Kirche, Euch um Hexerei zu kümmern?“, unterbrach sie ihn zornig und funkelte den Richter böse an. Sie spürte, wie sich ihr Mageninhalt rebellisch gegen sie auflehnte.
„Weil Kirche und Staat in diesem Falle eins sind, Frau!“
„Lasst mir einen Krug Wasser bringen“, bat sie und schluckte heftig hinunter, was sich einen Weg nach oben suchte. Der Richter schien die Situation richtig
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