Die Rose von Asturien
damit geprahlt haben. Zwar haben sie selbst viele Männer verloren, aber höchstens zwei auf zehn von uns. Bei Gott, warum haben unsere Anführer den Pass nicht vorher gesichert?«
Just zog die Schultern hoch. »Hinterher ist man alleweil klüger.«
Philibert nickte mit düsterer Miene. »Da hast du leider recht. Komm, lass uns diese Todesschlucht verlassen und uns auf den Weg nach Hause machen. Der König muss so rasch wie möglich erfahren, welche Katastrophe sich hier zugetragen hat.«
ACHTER TEIL
Versklavt
1.
D
as Erste, was Konrad empfand, war Schmerz. Sein Kopf dröhnte, als würde er als Trommel benutzt, und sein Leib schien mit einem eisernen Striegel bearbeitet worden zu sein. Selbst das Atmen tat weh, und er rang nach Luft. Da vernahm er wie aus weiter Ferne die Frage: »Bist du endlich wach, Franke?«
Die Stimme kam ihm bekannt vor, doch sein gemartertes Gehirn vermochte sie niemandem zuzuordnen. Er wollte sich an den Kopf greifen und stellte fest, dass seine Hände auf den Rücken gefesselt waren. Mühsam öffnete er die Augenlider und kniff sie sofort wieder zusammen, denn das Licht der Sonne stach wie mit tausend Nadeln in seinen Kopf. Seine Schmerzen verstärkten sich, und im nächsten Moment rebellierte sein Magen.
Zuerst brachte er das Erbrochene nicht aus dem Mund und glaubte schon, daran ersticken zu müssen. Aber jemand packte ihn und hielt ihn so, dass er alles von sich geben konnte. »Was ist geschehen?«, fragte er, als die schlimmsten Krämpfe abgeebbt waren.
Ein kurzes, hartes Lachen ertönte. »Weißt du das nicht mehr, Franke? Euer Heer ist besiegt und alle eure Krieger sind getötet worden. Du dürftest der Einzige sein, der mit dem Leben davongekommen ist. Zwar glaube ich nicht, dass du mir dafür danken wirst, aber nun habe ich meine Schuld bei dir beglichen.«
»Maite!« Endlich hatte Konrad die Sprecherin erkannt. Gleichzeitig tauchten Schreckensbilder vor seinem inneren Auge auf. Er glaubte, die Schlucht vor sich zu sehen, in der sie überfallen worden waren, ein enges, düsteres Loch, durch das Pfeile zuckten und in dem seine Freunde fielen wie reifes Korn unter der Sichel der Schnitterin. Mitten in Strömen von Blut war dann Maite aufgetaucht, mit starrer Miene, riesigen, vorHass glühenden Augen und einer Schleuder in der Hand. Etwas in ihm ahnte zwar, dass es nicht ganz so gewesen sein konnte, aber sein Zustand verstärkte die alptraumhaften Bilder noch.
»Du wolltest mich töten!«, sagte er mit kaum verhohlener Wut.
Maite schnaubte. »Hätte ich das tun wollen, lägst du mit zerschmettertem Kopf zwischen den anderen Franken. Ich habe dem Stein gerade so viel Schwung gegeben, dass du betäubt wurdest. Doch schon bald wirst du dir wünschen, du wärest tatsächlich durch meine Hand gefallen. Du bist ein Gefangener der Mauren, und Fadl Ibn al Nafzi beansprucht dich für sich. Er will sich an dir rächen, weil du seinen Bruder Abdul getötet hast. Ich kann dir jetzt nicht mehr helfen.«
»Wer ist dieser Fadl und wer sein Bruder?«, fragte Konrad, der Maite kaum folgen konnte.
»Abdul der Berber war jener maurische Anführer, den du samt seinen Leuten bei Saragossa gestellt und getötet hast. Jetzt bist du in die Hand seines Bruders geraten. Was er mit dir machen wird, kannst du dir ausmalen. Er hat geschworen, dich tausend Tode sterben zu lassen.«
Da nun alles gesagt war, ließ Maite Konrad los und erhob sich mit dem bitteren Gefühl, versagt zu haben. Sie hatte ihre Landsleute gesehen, die jeden noch lebenden Franken umgebracht hatten, und konnte sich nicht vorstellen, dass Philibert ihnen entgangen war. Sie hatte sowohl ihm wie auch Konrad das Leben retten wollen, aber beider Schicksal war ihr durch eine höhere Macht aus der Hand genommen worden.
Sie setzte sich ein Stück von Konrad entfernt auf einen Stein und sah sich um. Weiter vorne waren etliche Männer damit beschäftigt, den größten Teil der Beute fein säuberlich in drei Haufen aufzuteilen. Der Berber Fadl, Lupus aus der Gascogne und ihr Onkel Okin als Graf Enekos Stellvertreter achtetendarauf, dass keiner übervorteilt wurde. Sie hatten reiche Beute gemacht, und Maite war überzeugt, dass ihr Anteil ausreichen würde, sich mehrere Sklaven zu kaufen, mit denen sie ihr Haus in Askaiz und die Felder, auf die sie Anspruch hatte, bewirtschaften konnte.
Doch auch diese Aussicht schmeckte schal angesichts dessen, was geschehen war. Sie hatte vielfachen Tod gesehen und selbst getötet. Bis zu dieser
Weitere Kostenlose Bücher