Die Rose von Asturien
Schlacht hatte sie geglaubt, ihr fiele es ebenso leicht wie den Männern, anderen das Leben zu nehmen. Nun aber empfand sie Ekel und Scham. Die anderen Waskonenmädchen hatten recht gehabt, die in ihr ein unnatürliches Wesen gesehen hatten. Über ihrem Wunsch, Kriegerin zu sein, hatte sie vergessen, eine Frau zu werden.
In ihre Selbstvorwürfe verstrickt, merkte sie nicht, dass Graf Eneko erschien. Der Herr von Iruñea hatte die Nachricht vom Tod seines ältesten Sohnes bereits vernommen. Jetzt ruhte seine Hand auf der Schulter seines jüngeren Sohnes Ximun, den die Verantwortung, die durch den Tod des Bruders auf ihm lastete, zu erschrecken schien.
Mittlerweile saßen die Anführer der verbündeten Heere auf Teppichen zusammen, die Said der Händler hatte auslegen lassen. Dieser nahm an dem Rat teil, weil es seine Aufgabe war, die Beute, die Abd ar-Rahman erhalten sollte, nach Córdoba zu bringen.
Okin saß ebenfalls in der Runde. Nach Zigors Tod war er zu Graf Enekos neuem Ratgeber aufgestiegen, und dies wollte er nützen, um endlich den Dorn loszuwerden, der ihn seit dem Tod seines Schwagers quälte. Zunächst aber lauschte er schweigend. Jeder der drei Anführer wollte so viel wie möglich von der Beute haben, und sie rechneten ihre Toten und die Erfolge ihrer Männer gegeneinander auf.
Die wenigsten Verluste hatten die Mauren zu verzeichnen. Sie hatten die Franken aus sicherer Entfernung mit Pfeilen beschossenund nur wenige Männer im Nahkampf verloren. An ihrer Stelle hatten die Gascogner bluten müssen. Daher wies ihr Anführer Lupus auf den Teil der Beute, der eigentlich für die Mauren bestimmt war. »Die Hälfte davon steht ebenfalls mir und meinen Kriegern zu. Wir haben Mann gegen Mann gekämpft und die Franken mit unseren Speeren und Schwertern niedergemacht, während andere nur ihre Pfeile aus dem Hinterhalt abgeschossen oder mit Steinen geworfen haben.«
Diese Spitze galt ebenso den Mauren wie Enekos Waskonen. Der Stadtherr von Iruñea fuhr wütend auf. »Willst du etwa behaupten, deine Leute hätten mehr zum Sieg beigetragen als die meinen? Nicht ihr habt Roland erschlagen, sondern wir!«
»Du warst doch gar nicht dabei«, antwortete Lupus verächtlich.
»Aber mein Sohn!«, brüllte Eneko ihn an. »Und er ist gefallen! Ich verlange Blutgeld für seinen Tod! Deswegen steht mir der größere Teil der Beute zu.«
Maite, die der laute Wortwechsel aus ihren trübsinnigen Gedanken gerissen hatte, sah auf die Krieger hinab, die gemeinsam den errungenen Sieg feierten, während sich ihre Anführer bereits in den Haaren lagen. Sowohl Eneko als auch Lupus musste bewusst sein, dass die Bedrohung durch die Franken nicht kleiner geworden war. Die Gebiete nördlich der Pyrenäen würden bald wieder fest in Karls Griff sein. Nur im Gebirge und in dessen südlichen Ausläufern waren die waskonischen Stammesgebiete noch halbwegs sicher. Aber dort war kein Raum für zwei Anführer mit großen Ansprüchen.
Eneko war nicht gewillt, Lupus Macht an seinen Grenzen oder gar in den von ihm geeinten Gebieten einzuräumen. Das konnte Maite ihm von der Stirn ablesen. Offensichtlich wollte er erreichen, dass sein Kontrahent wieder nach Norden zurückkehrte, um sich in der Gascogne mit den Franken herumzuschlagen. Lupus jedoch wusste, dass er ohne einen festenRückhalt im Süden kaum eine Chance hatte, lange zu überleben. Daher stritten der Gascogner und Eneko sich vehement um die Beute und die Herrschaft über das waskonische Stammesland. Da sie sich nicht einigen konnten, warfen sie sich schließlich Beleidigungen an den Kopf.
Fadl Ibn al Nafzi verfolgte das unwürdige Schauspiel mit Verachtung. Für ihn waren Eneko und Lupus nur zwei Giauren, die sich zwar jetzt noch frei wähnten, aber über kurz oder lang die Faust seines Herrn, des Emirs von Córdoba, im Nacken spüren würden. Schon um die Würde Abd ar-Rahmans zu wahren, durfte er sich bei der Verteilung der Beute nicht mit einem geringeren Teil zufriedengeben.
»Im Namen Allahs, schweigt und setzt euch hin!«, rief er, als die beiden aufsprangen und nach ihren Schwertern griffen.
»Wir werden die Beute so teilen, wie es im Vorfeld beschlossen worden ist. Diese beiden Haufen zur Rechten und zur Linken gehören euch, und der in der Mitte dem großmächtigen Emir, mir selbst und meinen Kriegern!«
Lupus schüttelte wütend den Kopf. »Damit bekämest du mehr als wir. Dabei habt ihr Mauren am wenigsten geleistet!«
»Unsere Pfeile haben mehr Franken dahingerafft
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