Die Rose von Asturien
Stämmen vergessen. Noch immer loderte jedoch der Hass auf den Feind, der eine so schmähliche Niederlage erlitten hatte.
Danel schritt die Schlucht entlang, in der Hand ein erbeutetes Schwert, und tötete jeden, der noch atmete. Doch auch dasBlut, das er vergoss, vermochte seinen Schmerz über den Tod des Bruders nicht zu mindern. Die meisten Waskonen und Gascogner beteiligten sich an dem grausigen Werk. Die Männer aus Iruñea hatten neben ihren Freunden und Verwandten auch den jungen Eneko zu rächen und Zigor, den Vertrauten ihres Herrn.
Bei ihrem blutigen Tun kamen Danel und seine Freunde zu einem Karren, der halb umgestürzt auf der Seite lag. Ein paar nackte, behaarte Beine, deren Zucken noch Leben verriet, ragten darunter hervor. Einer der Waskonen entzündete lachend eine Fackel und trat an den Karren heran.
»Der Hund soll verbrennen!«, rief er und wollte den Karren in Brand setzen. Der Franke sah die Flamme und schrie gellend auf.
Unterdessen war Fadl Ibn al Nafzi um den Karren herumgegangen und befahl dem Mann mit der Fackel zu warten. »Er ist gefesselt. Vielleicht ist er einer unserer gefangenen Krieger.« Auf seinen Wink hin richteten mehrere Männer den Karren auf. Jetzt erkannten sie, dass sie keinen Mauren vor sich hatten, sondern einen untersetzten Mann mit dunkelblonden Locken.
»Es ist doch nur ein Franke!« Danel wollte zustoßen, doch der Maure schlug ihm die Waffe aus der Hand.
»Wir Mauren töten keine Gefangenen unserer Feinde. Ich will wissen, wer dieser Mann ist. Versteht einer von euch seine Sprache?«
Die Waskonen schüttelten den Kopf. Doch da trat ein Mann in der Tracht eines reisenden Händlers unter den Bäumen hervor und grüßte den Mauren unterwürfig. In seinen Augen aber lag ein spöttischer Glanz.
»Verzeih, oh hoher Herr, doch ich kam zufällig des Weges und habe deine Worte vernommen. Ich vermag die Sprache der Franken zu sprechen, wenn es dir beliebt.«
»Zufällig kommt hier niemand vorbei«, rief Danel und hob erneut das Schwert.
Fadl stieß ihn mit einer ärgerlichen Geste zurück. »Narr! Das ist Said der Händler. Ich habe ihn rufen lassen, damit er uns einen Teil der Beute abkauft!«
»So ist es, ruhmreicher Held.« Said verbeugte sich erneut und musterte anschließend den Mann, der auf dem Wagen festgebunden war.
»Wer bist du?« Er verwendete zunächst den westfränkischen Dialekt und wiederholte diese Frage noch einmal im Fränkischen des Ostens, da der Mann ihn zunächst nur entsetzt anstarrte.
»Ermo heiße ich«, würgte er schließlich hervor.
»Und weshalb liegst du in Fesseln?«
»Sie haben es getan, weil ich ein Freund der Mauren bin!«
Said hatte keinen Zweifel daran, dass der Gefangene log. Da der Mann jedoch von seinen Leuten in Stricke gelegt worden war, widerstrebte es ihm, ihn töten zu lassen. Außerdem war es möglich, dass er wichtige Dinge erzählen konnte. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf den Lippen des als Händler verkleideten Spions. »Bindet ihn los und behandelt ihn gut. Er ist ein Feind unserer Feinde und weiß so manches zu berichten.«
Die Mauren kannten Said und seinen Einfluss bei Jussuf Ibn al Qasi und gehorchten, während Danel und die anderen Waskonen mürrische Gesichter zogen. Da jedoch Fadl Ibn al Nafzi mit Saids Entscheidung einverstanden schien, wagten sie nicht zu widersprechen.
Ermo atmete auf. Während der ganzen Schlacht hatte er halb unter dem Karren gelegen und sich trotz aller Mühen nicht von seinen Fesseln befreien können. Mit heimlichem Grauen blickte er auf die gefallenen Landsleute, lachte dann aber höhnisch und spie aus. Die Kerle hatten ihm ein paar lumpige Silberlinge nicht als Beute gönnen wollen. Nun waren sie tot, und er lebte.
20.
K
urz nach dem Beginn des Überfalls hatte Just sich unter einem Karren verkrochen, der von einem herabstürzenden Felsen umgestoßen worden war. Schon bald aber war ihm klargeworden, dass dieses Versteck ihm zwar Schutz vor den Pfeilen bot, aber nicht vor den Waskonen, die die Hänge herabstürmten.
Vor Angst zitternd überlegte er, was er machen sollte. Wenn er hier blieb, würden die Feinde ihn entdecken und umbringen. Doch wohin sollte er fliehen? Im Wald wimmelte es von Angreifern, und in der Schlucht gab es keinen Platz, an dem er sich verstecken konnte.
Als sich die Kämpfer an anderer Stelle ineinander verbissen, kroch er unter dem Karren hervor und rutschte auf allen vieren leise zu allen Heiligen betend durch Gebüsch zum Saum des Waldes.
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