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Die Rose von Asturien

Titel: Die Rose von Asturien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Dort stand er im Schutz eines dichtbelaubten Baumes auf und sah sich um. Wenige Schritte entfernt entdeckte er den Bau eines Tieres. Für einen erwachsenen Menschen war die Höhlung zu eng, doch für einen Jungen wie ihn mochte es reichen.
    Vorsichtig schlich er hin und kroch mit den Beinen voran in die Erde. Dabei betete er, dass der Bewohner des Baus nicht zu Hause war. Mit den Händen verwischte er seine Spuren und wartete dann hilflos und verzweifelt auf das, was weiter geschehen mochte.
    Lange Zeit hoffte er, seinen Freunden würde es gelingen, die Angreifer zu vertreiben. Doch der Kampflärm schien nicht enden zu wollen, und als er dann doch verebbte, jubelten keine fränkischen Zungen. Just vernahm maurische und waskonische Ausrufe, und ihm fiel trotz seiner lähmenden Furcht auf, dass neben dem südlichen Dialekt auch die Sprache der Gascogner benutzt wurde.
    Rolands Truppe, die Nachhut des mächtigen Frankenheers, war also von Kriegern dreier Völker angegriffen worden. Als der Junge seinen Kopf ein wenig aus dem Dachsbau hinausstreckte, sah er, dass die Waskonen die gefallenen Franken untersuchten und jedem, in dem sie noch einen Funken Leben wähnten, die Kehle durchschnitten oder ihn erschlugen.
    Wie es aussah, wollte der Feind sichergehen, dass niemand davonkam und König Karl berichten konnte, was hier geschehen war. Diese Erkenntnis ließ den Jungen ruhiger werden, es gelang ihm, seine Panik niederzukämpfen. Zwar hatte er seinen Freunden im Kampf nicht helfen können, aber er hatte zwei Beine, die weite Wege zurücklegen konnten, und einen Mund. Also würde ihm die Aufgabe zufallen, König Karl die Nachricht von dieser Schlacht zu überbringen.
    Diese Überlegung half ihm, die nächsten Stunden zu überstehen. Erst als es Nacht wurde und das Feuer der von den Waskonen in Brand gesteckten Trosskarren die Schlucht gespenstisch erhellte, wagte er sich aus seinem Versteck. Von den Feinden war nichts mehr zu hören. Auch sonst war es so still, als hielte die Natur vor Entsetzen über dieses Blutbad den Atem an.
    Während Just an Bergen von Leichen vorbei Richtung Norden stolperte, erfasste er das ganze Ausmaß des Verhängnisses, das Rolands Heer ereilt hatte. Die meisten Krieger waren bis auf die Haut ausgeplündert worden, im Schein des Feuers wirkten ihre nackten, blutüberströmten Körper wie bleiche, von Riesen zertretene Würmer. Dennoch erkannte Just so manchen Krieger oder Knecht, den er Freund genannt hatte. Die Tränen rannen ihm über das Gesicht, und als er auf Rado stieß, presste er die Hände auf den Mund, um seinen Schmerz nicht hinauszuschreien.
    Er kniete neben dem Toten nieder und schlang ihm die Armeum die Brust. »Nein! Oh Heiland, warum hast du das zugelassen? Er war doch mein bester Freund!«
    Niemand antwortete ihm. Nach einer Weile zwang sich Just, wieder aufzustehen und weiterzugehen. Er hatte weder die Kraft noch die Möglichkeit, auch nur einen Einzigen der Toten zu begraben, geschweige denn alle. Der Gedanke, Rados Leib den Wölfen und Bären zum Fraß zurücklassen zu müssen, hätte ihn dennoch beinahe dazu gebracht, wieder umzukehren.
    Da hörte er plötzlich eine Stimme. »Junge, du lebst? Dem Heiland sei Dank! Du wirst mir helfen müssen. Allein schaffe ich es nicht.«
    »Philibert!« Just rannte in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war, und stand kurz darauf vor einem Hügel aus Toten, den die Waskonen zusammengetragen hatten. Ganz zuunterst, aber nur teils unter den Leichen begraben, lag Philibert, der Maites Rat beherzigt und sich tot gestellt hatte. Der Leichnam seines letzten Begleiters hatte ihn besser gedeckt, als dieser es als Lebender vermocht hatte, und so hatte ihn auch niemand seiner Kleidung beraubt. Die Körper der Gefallenen lasteten jedoch so schwer auf seinen Beinen, dass er sich nicht rühren konnte.
    Just griff beherzt zu und zerrte einen erstarrten Körper nach dem anderen beiseite, bis Philiberts Beine freilagen. Doch der Franke war zu schwach, sich zu erheben. Erst mit Justs Hilfe konnte er aufstehen. Er musste sich auf den Jungen stützen, um wenigstens einen Schritt vor den anderen setzen zu können.
    »Das war ein schrecklicher Tag, mein Junge. So viele tapfere Män ner mussten sterben. Außer uns hat wohl niemand überlebt.«
    »Ich habe Rado gefunden. Er ist ebenfalls tot!« Justs Stimme klang schrill, und er fing wieder an zu weinen.
    »Sie haben sie alle umgebracht, Roland, Eward, Anselm von Worringen, Konrad. Ich habe gehört, wie sie

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