Die Rose von Asturien
lumpigen Asturiern fertig zu werden.«
Unai tippte sich an die Stirn, doch Eneko sah eine Möglichkeit, seinen Mut zu beweisen, den Maite vorhin angezweifelt hatte. »Verdammt noch mal! Warum nicht? Davon würden die Sänger noch in hundert Jahren singen.«
»Ach was, in tausend!«, rief Tarter begeistert aus.
Ximun, Enekos jüngerer Bruder, kratzte sich im Genick und blickte zu dem Platz hoch, auf dem die Abgesandten der Stämme immer noch stritten. »Wir sollten zuerst Vater fragen, bevor wir etwas unternehmen.«
Tarter lachte ihn aus. »Ich bin ein Gascogner und muss keinen Berghäuptling fragen, ob ich mein Schwert ziehen darf oder nicht.«
Eneko drohte ihm mit der Faust. »Dieser Berghäuptling, wie du ihn nennst, ist mein Vater und der Herr der meisten Stämme Nafarroas.«
»Ich bin aber kein Mann aus Nafarroa«, antwortete Tarter stolz.
»Ich auch nicht!« Unai aus Iekora stellte sich auf Tarters Seite, und etliche taten es ihm gleich.
Schließlich klopfte auch der junge Eneko auf den Griff seines Schwertes. »Mein Vater redet immer noch mit den alten Graubärten aus den anderen Stämmen, und das wird, wie es aussieht, wohl noch tagelang so gehen. Bis die zu einem Entschluss kommen, ist die Asturierin längst bei den Franken, und wir haben das Nachsehen. Nur wenn wir gleich aufbrechen, können wir sie noch abfangen.«
Maite sprang von ihrem erhöhten Platz herunter und blickte die jungen Männer an. »Ich bin dabei!«
Tarter stieß sie zurück. »Du bist ein Mädchen und hast bei einer solchen Sache nichts verloren!«
Maite maß ihn mit einem mitleidigen Blick, nahm das Band ab, mit dem sie ihren üppigen Haarschopf gebändigt hatte, formte eine Schlaufe und legte einen Kieselstein hinein. Dann schwang sie die primitive Schleuder ein paarmal durch die Luft und ließ den Stein davonschnellen. Im nächsten Augenblick zerplatzte der Zapfen einer gut dreißig Schritt entfernt stehenden Pinie.
»Reicht das, oder soll ich mir als nächstes Ziel deinen Kopf vornehmen?«, fragte Maite herausfordernd.
Asier trat grinsend näher. »An deiner Stelle wäre ich vorsichtig, mein Freund. Dein Kopf ist größer als ein Pinienzapfen, und den trifft Maite aus noch größerer Entfernung! Sie ist nämlich Ikers Tochter, die bereits als Achtjährige einen asturischen Grafen und seine Reiter an der Nase herumgeführt hat. Du wirst hier keinen Waskonen finden, der ihre Begleitung ablehnen wird.«
Tarter starrte Maite mit offenem Mund an. »Das war ein guter Schuss«, sagte er und reichte ihr die Hand. »Also gut! Holen wir uns das asturische Dämchen gemeinsam. Wir bekommen sicher Lösegeld für sie.«
»Am besten verkaufen wir sie an die Mauren!«, erklärte Maite voller Hass.
12.
E
rmengilda war todunglücklich, dass sie die Heimat so schnell verlassen musste. Es hatte nur einen kurzen tränenreichen Abschied gegeben, der außerdem von einem unangenehmen Vorfall überschattet worden war. Ihre Leibmagd Ebla hatte sich aus Angst vor der Fremde im hintersten Winkel der Burg verkrochen. Alma war es jedoch rasch gelungen, sie aufzuspüren, und sie hatte die Magd mit kräftigen Ohrfeigen an ihre Pflichten erinnert. Jetzt hockte Ebla wie das leibhaftige Elend auf ihrem Maultier und jammerte ununterbrochen vor sich hin.
Der Schmerz, von ihren Eltern scheiden zu müssen, wühlte in Ermengilda wie ein scharfes Messer, und der Ärger über ihre Magd machte den Abschied doppelt schwer, erinnerte er sie doch an die Kränkung, die man ihr zugefügt hatte. Bei ihrem Rang hätte sie Anspruch auf die Begleitung einer Gesellschafterinvon adeligem Blut gehabt, doch daran hatte König Silo keinen Gedanken verschwendet. Auch ihre Eltern hatten nichts unternommen, um ihr ein standesgemäßes Gefolge mitzugeben.
»Wir kommen gut voran, Jungfer Ermengilda.« Gospert hatte sein Pferd neben ihre Stute gelenkt und versuchte, ein Gespräch anzuknüpfen.
Wäre Ermengilda nicht so niedergeschlagen gewesen, hätte sie dem Franken ins Gesicht gelacht. Sie hatten den Herrschaftsbereich ihres Vaters erst am Tag zuvor verlassen und ritten durch jene Gegend, die von ihren Bewohnern Nafarroa und von den Asturiern Navarra genannt wurde. Die hiesigen Stämme zahlten entweder den Mauren Tribut oder hatten sich um Eneko, den Häuptling von Pamplona, geschart. Da derzeit kein Krieg zwischen Asturien und den Bergstämmen herrschte und die Beziehungen zu den Mauren sich in der letzten Zeit entspannt hatten, würde ihr Trupp aller Voraussicht nach
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