Die Rose von Asturien
unbehelligt über die Pyrenäen gelangen. Das war jedoch nur ein kleiner Teil des Weges, der vor ihnen lag. Zu ihrem Schrecken hatte Ermengilda erfahren, dass sie ihren Bräutigam erst in der fernen Stadt Metz treffen sollte.
»Wir kommen wirklich gut voran!«, wiederholte Gospert, weil er nicht wusste, was er anderes sagen könnte, um seinen Schützling aufzumuntern.
Das Mädchen blickte ihn hochmütig an. »Noch sind die Tiere frisch, und die Berge liegen erst vor uns.«
»Ihr sitzt ausgezeichnet zu Pferd, Jungfer. Keine Fränkin könnte sich mit Euch messen.«
Ermengilda schüttelte verwundert den Kopf. »Wie das? Reiten Eure Frauen und Mädchen nicht?«
»Doch! Aber ich kenne keine, die eine so temperamentvolle Stute beherrschen könnte wie die Eure. Das Tier stammt wohl aus maurischer Zucht?«
Einen Augenblick nahm Ermengilda den unverhüllten Neid in der Stimme des Franken wahr. Auch er ritt ein gutes Pferd, aber der schwer gebaute Hengst konnte sich weder mit ihrer Stute noch mit den Reittieren der zwanzig Krieger messen, die ihr Vater ihr als Geleitschutz mitgegeben hatte. Die Gäule, die Gosperts Begleiter ritten, waren noch schlechter und verrieten, dass es mit der Pferdezucht im Frankenreich im Argen lag.
»Es ist im Stall meines Vaters geboren worden. Wir benötigen schnelle Tiere. Eine Asturierin muss jeden Augenblick in der Lage sein, sich auf ihr Pferd zu schwingen, um maurischen Streifscharen zu entkommen«, erwiderte Ermengilda.
Dieses Argument verfing nicht so, wie sie es beabsichtigt hatte. Gospert grinste selbstgefällig und vollzog mit der Hand eine weit ausgreifende Geste. »Asturien ist eben ein kleines Land, das unter den Schlägen der Heiden zittert. Im Reich der Franken muss keine Frau befürchten, einen Feind vor sich zu sehen.«
Dies mochte wahr sein, doch Ermengilda ärgerte sich über seinen prahlerischen Ton und brach das Gespräch ab, indem sie ihre Stute leicht mit der Gerte kitzelte. Daraufhin fiel das Tier ansatzlos aus dem gemächlichen Schritt in Galopp. Ermengildas asturische Eskorte war an überraschende Tempowechsel gewöhnt und hielt leicht mit. Gospert schlug seinem armen Hengst die Sporen in die Weichen, blieb aber ebenso zurück wie seine Begleiter.
Ramiro, den Graf Roderich zum Anführer des Geleits ernannt hatte, schloss besorgt zu Ermengilda auf. »Herrin, Ihr solltet es gut sein lassen. Herr Gospert könnte sich sonst verhöhnt vorkommen.«
Zwar interessierte es Ermengilda nicht, was der Franke dachte, aber sie wollte die eigenen Pferde nicht über Gebühr beanspruchen und zügelte ihre Stute. Dennoch dauerte es eine ganze Weile, bis die fünf Franken sie eingeholt hatten. GospertsGesicht glühte vor Zorn, und er öffnete schon den Mund zu einer geharnischten Rede.
Ermengilda winkte ihm fröhlich zu. »So ein kleiner Galopp zwischendurch hat doch etwas Erfrischendes, nicht wahr, Herr Franke?«
Gospert rang sich ein Nicken ab. »Das hat es wohl. Die Gäule müssen immer wieder daran gewöhnt werden, sonst denken sie noch, es ginge ewig im Schritt dahin.«
Ermengilda hob erstaunt die Augenbrauen. »Eure Pferde denken?«
»Na ja – so sagt man halt.« Der Franke hielt es für besser, das Gespräch mit dem kecken Ding zu beenden, denn sonst hätte er Worte von sich gegeben, die er hinterher bereuen würde.
Dafür hatte Ermengilda jedoch Ebla am Hals, deren Maultier von einem der Asturier am Zügel geführt wurde und den scharfen Galopp hatte mitmachen müssen. Aus Ärger über die ausgestandene Angst vergaß sie die Ehrerbietung, die sie Ermengilda schuldig war. »Was habt Ihr Euch eigentlich dabei gedacht, Herrin? Ich bin wie ein Sack herumgeschleudert worden und habe mir gewiss ein paar Knochen in dem Körperteil gebrochen, auf dem man im Allgemeinen sitzt.«
Ermengilda senkte den Kopf. In ihrem Bestreben, den Franken in seine Schranken zu weisen, hatte sie nicht an ihre Leibmagd gedacht. »Es tut mir leid, Ebla. Ich wollte nicht, dass du zu Schaden kommst. Sobald wir an unserem heutigen Ziel angelangt sind, lässt du dir eine Salbe geben und reibst die wunden Stellen ein.«
Ebla war jedoch nicht versöhnt. Anders als Ermengilda, der als Tochter eines Grafen von Kind an beigebracht worden war, dass sie einmal das Haus ihres Vaters verlassen und in eine andere Gegend würde ziehen müssen, um das Weib eines Edelmanns zu werden, hing die Leibmagd mit jeder Faser ihres Herzens an ihrem Heimatdorf. Daher haderte sie mit demSchicksal ebenso wie mit ihrer
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