Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Tropfen herniederfallen ließ. Da erklangen die ersten Tacte einer neuen Tour, und Jeder eilte, sich eine Tänzerin zu suchen.
Der Halbkreis, welcher Katharina umschlossen hielt, fuhr auseinander, als drohe ein Unheil.
Gustav war herbeigetreten und bot dem überraschten Mädchen die Hand.
»Ich bitt’, Kathrin’, mach’ dies’n Tanz mit mir!«
Sie erhob sich und legte den Arm in den seinen.
»Nein, das geht net!« rief protestirend des Richters Sohn. »Das ist der Rheinländer, den Du mir versproch’n hast. Geh’ weg, Teufelshofer, und rühr’ mir mein Mädchen net an!«
Gustav’s Auge überflog den Sprecher von oben bis unten; dann bog er sich leicht zu Katharina nieder.
»Hast’s ihm versproch’n?«
»Ja.«
»Mit wem tanz’st’ lieber? Sag’s grad’ und aufrichtig, Kathrin’!«
Sie hörte es dem Tone seiner Stimme und sah es dem tiefen, forschenden Blicke seines Auges an, daß sich diese Frage auf mehr als nur den Tanz bezog. Ihr Arm zitterte leise in dem seinigen, aber sie wagte trotz der kritischen Lage die Antwort:
»Mit Dir!«
»So bist Du von jetzt an meine Tänz’ein, und kaan Mensch hat mehr etwas an Dir zu präsentiren. Geh’ fort, Klaaner, und schaff’ Raum! Du hast gehört, wie nun die Actien steh’n.«
»Das woll’n wir seh’n! Die Kathrin’ hat mir zugesagt, und ich tret’ net zurück, am allerwenigst’n aber vor Dir!«
»Sie hat Dir wieder abgesagt. Hier ist aan Jed’s sein eigner Herr und kann thun, ganz was ihm beliebt. Mach’ Dich zur Seit’, ich könnt’ Dir sonst auf die Füß’ tret’n!«
»Nein, wir leiden’s net, daß aaner vom Teufelshof hier tanz’n darf. Gieb das Mädchen her, sonst kommst Du durch die Thür!«
Er faßte Gustav bei der Schulter, während noch mehrere herzu traten, um sich an dem Streite zu betheiligen.
»Was?! Du greifst mich an? Glaubst’ denn, daß ich mich fürcht’, und wenn die ganz’n Kerle nach mir lang’n! Laß’ los, sonst spielst Du Luftballon!«
Als der Gewarnte der Mahnung nicht Folge leistete, drückte ihm Gustav mit einem raschen Griffe die Arme an den Leib, hob ihn hoch empor und schleuderte ihn über den Knäuel der Umstehenden weg, hinter denen er zu Boden stürzte. Dann nahm er wieder Katharina’s losgelassenen Arm und drängte mit drohender Miene vorwärts.
»Nun wird getanzt. Schafft Platz, wenn Ihr net auch das Flieg’n lernen wollt!«
Es lag in seinem kräftigen Auftreten eine solche Macht, daß die Kampfeslustigen furchtsam zurückwichen. Er schritt zur tanzenden Reihe und wollte eben beginnen, als plötzlich die Musik verstummte. Der Richter stand in der Mitte des Saales und hatte mit erhobener Hand zum Schweigen gewinkt.
»Was ist denn hier für aan Teufel los?« fragte er, die kleine Gestalt möglichst emporreckend, mit wichtiger Amtsmiene. Sein Sohn stand neben ihm und rieb sich die maltraitirten Glieder. »Komm’ ‘mal her, Haubold, grad’ hierher vor mich! Ich hab’ Dich ‘was zu frag’n!«
Er zeigte bei diesen Worten mit dem Finger auf den Punkt, bis zu welchem Gustav sich ihm nähern sollte.
»Zu frag’n? Willst’ etwa aan Mittel wiss’n, noch drei Ell’n höher zu werden? Stell’ Dich auf den Tisch, dann bist’ grad’ groß genug zum Richter!«
»Her kommst’!« rief das Ortsoberhaupt, ergrimmt über diese Beleidigung. »Sonst laß ich Dich durch den Büttel hertransportir’n!«
»Dann bist’ auch aan rechter Kerle, wenn Du den Spitz auf mich hetz’n kannst! Komm’ her, wenn Du mit mir zu red’n hast! Brauchst doch deshalb net auf die Eis’nbahn zu steig’n!«
Da fühlte er eine Hand an seinem Arme. Es war der Wiesenbauer, welcher sich herbeigedrängt und mit Erstaunen seine Tochter an der Seite des Verhaßten gesehen hatte.
»Was ist mir denn das? Hat Dich etwa der Drach’ um den Verstand gebracht, daß Du es wagst, das Mäd’l anzurühr’n? Gleich laß los! Man muß ja ganz gewärtig sein, Du machst mir die Kathrin’ zur Hex’!«
»Das werd’ ich jetzt auch thun. Paß auf, Wies’nbauer, wie ich es mach’!«
Er legte beide Arme um das Mädchen, dem unter dieser kräftigen Berührung ein Widerstreben gar nicht möglich war, zog die vor Schreck und Scham Erglühende zu sich empor und küßte sie auf den Mund.
»So, nun ist die Hex’ fertig und dem Beelzebub verfall’n! Und wenn –«
Er konnte nicht weiter sprechen; Heinemann hatte seine Tochter von ihm weggerissen und packte ihn wüthend bei der Brust.
»Das werd’ ich Dir bezahl’n, Du
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